Großbritannien

Rishi Sunaks Ruandaproblem

Premierminister Rishi Sunak im Unterhaus. Die Verschärfung des Asylrechts angesichts zunehmender irregulärer Migration ist ein Härtetest für ihn.
Premierminister Rishi Sunak im Unterhaus. Die Verschärfung des Asylrechts angesichts zunehmender irregulärer Migration ist ein Härtetest für ihn.Reuters
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Die Verschärfung des Asylrechts inklusive Abschiebungen nach Ruanda bringt die Konservativen und das halbe Land in die Bredouille.

London. Eigentlich wollte Premier Rishi Sunak Tatendrang zeigen. Denn sowohl die regierenden Tories als auch er selbst stecken im Umfragetief. Danach befragt, welches Wort die Konservativen am besten beschreibe, landete jüngst ganz oben auf der Liste: „nutzlos“. Danach kamen „schlecht“, „korrupt“, „inkompetent“, „Lügner“.

Heuer soll freilich gewählt werden. Höchste Zeit also für den angeschlagenen Premier, zu handeln. Ein Gesetz, das die Abschiebung irregulär eingereister Migranten nach Ruanda ermöglichen soll, sollte der Öffentlichkeit beweisen, dass Sunak die Zügel in der Hand hat. Doch der Plan ging nach hinten los. Denn als man den Gesetzesentwurf am Dienstag und Mittwoch im Parlament debattierte, bekamen die Briten vorgeführt, was sie seit Jahren kennen: In der Tory-Partei brach Streit aus, mehr als 60 ihrer Abgeordneten stimmten am Dienstag für Änderungsanträge, mit denen Vertreter des rechten Flügels das Gesetz noch verschärfen wollten. Lee Anderson und Brendan Clarke-Smith traten gar als Vizeparteichefs zurück, um sich den Rebellen anzuschließen.

Widerstand im Oberhaus

Allerdings setzten sich die Rebellen zunächst nicht durch. Und Sunak zitterte am Donnerstag einer wichtigen Abstimmung im Parlament entgegen, in der es darum ging, ob der Entwurf in die nächste Runde des Legislativprozesses geht. Schon zuvor formierte sich auch im Oberhaus Widerstand. Dort signalisierten Abgeordnete, dass sie auf alle Fälle noch eigene Änderungsanträge einbringen wollten.

Droht eine Dauerschleife?

Im – für Sunak – schlimmsten Fall könnte die Causa noch lang für Ärger sorgen. Und dabei könnten auch die Gerichte eine wichtige Rolle spielen. Der Supreme Court hatte bereits die Pläne der Regierung, Asylwerber vor Abschluss ihrer Verfahren nach Ruanda abzuschieben, im Oktober gekippt, wegen Mängeln im dortigen Asylwesen.

Sunaks Regierung schloss danach ein abgewandeltes Abkommen mit Kigali. Und legte einen Gesetzentwurf vor, der es in sich hat: Denn darin soll fixiert werden, dass Ruanda ein sicheres Land sei, egal was Gerichte meinen. Abschiebungen könnten also nicht mehr erfolgreich mit der Begründung angefochten werden, dass Ruanda nicht sicher sei.

Sunak hat die Pläne von seinem Vor-Vorgänger, Boris Johnson, geerbt. Das erste Abkommen mit Ruanda dazu wurde im April 2022 geschlossen. Kernziel: Es soll Menschen davon abhalten, in Booten illegal von Frankreich über den Ärmelkanal zu kommen. Das wagen seit Jahren jeweils schon Zehntausende, oft gibt es dabei Tote. Im Vorjahr kamen weniger als 30.000 Menschen auf diesem Weg nach Großbritannien. Die Zahl der (legalen und irregulären) Zuwanderer betrug 2022 laut der Statistikbehörde allerdings 745.000 Personen.

Das Phänomen mit den Booten ist eine Folge des EU-Austritts. Denn seit dem Ende der Brexit-Übergangsfrist 2021 hat Großbritannien kein Rückführungsabkommen für Migranten mit seinen europäischen Nachbarländern mehr. Für eine konservative Regierung, die mit Sunak auch noch von einem langjährigen Brexit-Unterstützer angeführt wird, macht das die Boote erst recht zum Imageproblem. Zumal Sunak den Stopp der Bootsmigranten zu einer Top-Priorität erklärt hat. Abschiebungen nach Ruanda sollen den Wählern nun offenbar den Eindruck vermitteln, dass Sunak sein Versprechen einzuhalten gedenkt.

Dabei ist jedoch vollkommen unklar, ob die Abschiebungen die erhoffte Abschreckungswirkung haben würden. Denn bisher wäre Ruanda lediglich dazu in der Lage, einige Hundert Personen im Jahr aufzunehmen. Und das, obwohl London bereits 240 Millionen Pfund (ca. 280 Mio. Euro) nach Kigali für Vorbereitungen überwiesen hat.

Die Richter sind not amused

Und die Justiz könnte Sunak das Leben schwermachen. Einen Vorgeschmack auf den Ärger, den er sich eingehandelt haben dürfte, bekam Sunak bereits diese Woche: Sue Carr, höchste Richterin des Landes, wies die Pläne der Regierung zurück, weitere 150 Richter mit der Bearbeitung von Asylanträgen zu befassen. Sie sagte, Entscheidungen über den Einsatz von Richtern seien „ausschließlich Sache der Justiz“ und nicht der Politik. Es sei „wichtig, dass die Menschen diese klare Trennung verstehen“.

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