Verfahren

Schmiergelder an den „Islamischen Staat“: Warum ein Schweizer Zementriese seine Vergangenheit nicht loswird

Lafarge und Holcim fusionierten zum größten Zementhersteller der Welt.
Lafarge und Holcim fusionierten zum größten Zementhersteller der Welt.APA / AFP / Thomas Samson
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Das Unternehmen Holcim/Lafarge wird sich in Frankreich wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten müssen. Auch in den USA reichen Jesiden Klage gegen die Firma ein.

Die Holcim AG mit Sitz im schweizerischen Zug wollte die Anklage in jedem Fall verhindern. Nun blitzte der weltweit größte Zementhersteller vor dem französischen Kassationsgericht ab: Das Verfahren gegen Holcim ist zulässig. Somit ist der Weg frei für einen brisanten Prozess, der die französische Justiz schon seit Jahren beschäftigt.

Dem Baustoffkonzern wird vorgeworfen, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mitfinanziert zu haben, und zwar durch Zahlung von Schutzgeldern. Holcim bzw. Lafarge (die Firmen fusionierten 2015) muss sich wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Konkret geht es um die Lafarge-Niederlassung in Syrien, die 2010 in Betrieb genommen wurde – also noch vor Ausbruch des Bürgerkriegs.

In das Werk der Tochterfirma wurden nicht weniger als 680 Millionen Dollar investiert; viel Geld, das das Unternehmen nach Kriegsausbruch offenbar nicht aufgeben wollte. Um den Betrieb trotz Kriegswirren aufrechterhalten zu können, zahlte Lafarge mehrere Millionen Dollar an die Terrorschergen des IS und der al-Nusra-Front. Das Geld sollte die Sicherheit der Mitarbeiter sowie den ungestörten Zufluss von Rohmaterial gewährleisten.

Wer wusste von den Zahlungen?

Die syrische Tochterfirma in Jalabiyah im Gouvernement Aleppo war bis 2014 in Betrieb, auch dann noch, als der IS in jenem Sommer das sogenannte Kalifat ausrief. Doch in Paris schien man die damals schwelende Gefahr schon geahnt zu haben. Das Werk wurde bis auf ein paar Dutzend Mitarbeiter evakuiert, schließlich überfiel der IS auch die Fabrik.

Die große Frage, die nun geklärt werden soll, ist: Wer wusste in Paris von den Schmiergeldern? Dass die Gelder geflossen sind, ist mittlerweile unbestritten. Denn auch in den USA musste sich Lafarge der Justiz stellen und gab die Zahlungen öffentlich zu – es war das erste Mal, dass sich ein Unternehmen in den USA schuldig bekannte, eine Terrorgruppe unterstützt zu haben. Die Firma sei einen Pakt mit dem Teufel eingegangen, sagte sodann US-Staatsanwalt Breon Peace ohne Umschweife. Vor zwei Jahren schließlich hoffte Holcim, mit einer Zahlung von 778 Millionen Dollar Strafe die Syrien-Vergangenheit zumindest in den USA hinter sich lassen zu können.

Umschlagplatz für Geheimdienste?

Allerdings hat erst vor wenigen Wochen eine Gruppe von Jesiden, darunter die Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad, eine neue Klage gegen Lafarge/Holcim in New York eingebracht. Die religiöse Minderheit der Jesiden litt besonders unter den unzähligen Gräueltaten des IS. Lafarge werfen sie nun vor, sich mit dem IS verschworen zu haben.

CEO von Lafarge war lange Jahre der Franzose Bruno Lafont, der auch die viel beachtete Fusionierung mit der Schweizer Holcim leitete. Seit 2016, als die ersten Vorwürfe gegen die Firma bekannt wurden, sagt Lafont, dass er von Schutzgeldzahlungen in Syrien keine Kenntnis hatte. „An dem Tag, als ich das Wort ‚Daesh‘ (IS, Anm.) hörte, habe ich sofort angeordnet, die Fabrik zu schließen“, sagte Lafont vergangenes Jahr der „NZZ“. „Das war im August 2014, und es ging um Verhandlungen mit Daesh. Von Geld war direkt nicht die Rede.“

Lafont zufolge gibt es jedoch auch eine andere Erklärung für den Fortbestand der syrischen Tochterfirma: Sie habe als Umschlagplatz für französische und britische Geheimdienste gedient. Von hier aus hätten westliche Geheimdienste Informationen über die Aktivitäten der Terrorgruppe erhalten, so Lafont. Daher sei Paris daran interessiert gewesen, Lafarge in Syrien am Laufen zu halten. (duö)

Auf einen Blick

Der französische Zementhersteller Lafarge eröffnete 2010 eine Fabrik in Nordsyrien, die auch während der ersten Jahre des Bürgerkriegs in Betrieb blieb. In den Jahren 2013 und 2014 hat Lafarge Schutzgelder an den Islamischen Staat (IS) sowie die al-Nusra-Front bezahlt. Die Zahlungen hat das Unternehmen während eines Prozesses in den USA zugegeben und eine hohe Strafzahlung akzeptiert. Heute gehört Lafarge der Schweizer Firma Holcim. In Frankreich wird gegen das Unternehmen ein weiterer Prozess vorbereitet.

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