Bildung-Buchtipps

Von großen Reformen, ungleichen Unis und dem Problem des Wiederkäuens

Input gesucht? Ausgewählte Bücher bieten Denkanstöße in der Bildungsdiskussion.
Input gesucht? Ausgewählte Bücher bieten Denkanstöße in der Bildungsdiskussion.Getty images
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Über Bildung wird viel diskutiert und noch mehr gestritten. Noten und Tablets, ja oder nein? Gesamtschule oder Gymnasium? Man könnte auch (noch) größere Fragen stellen. Diese Bücher bieten starke Impulse dafür.

Alternative Wege. Kinder und Jugendliche brauchen gute Bildung. Vor allem in Zeiten globaler Umbrüche. Was jedoch definiert eine „gute Bildung“? Lernen in Teams oder einzeln? Gesamtschule oder Gymnasium? Lehrpläne abspecken? Frontalunterricht oder Projektarbeit? Und welche Fächer braucht es überhaupt? Die Vorschläge und Forderungen, wie besser unterrichtet und gelernt werden sollte, sind ewig erweiterbar. Der deutsche Entwicklungsbiologe und Hirnforscher Gerald Hüther bietet in „#Education for Future“ auf 320 Seiten Perspektiven, wie eine erfolgreiche Bildung gestaltet werden kann. Er tut dies gemeinsam mit zwei Co-Autoren, die sich besonders nahe an der Lebens- und Erfahrungswelt von Kindern und Jugendlichen befinden: mit dem ehemaligen Streetworker und Rapper Marcell Heinrich und Mitch Senf, früherer Spitzensportler und Breakdancer. Empfehlenswert für Eltern, Lehramtsstudierende und alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.

Baustelle Bildung. Etwas trockener geht es der emeritierte Professor und Bildungsforscher Kersten Reich an. Im Buch „Faire Bildung für alle!“ bringt er die (historisch gewachsenen) Probleme des deutschen Bildungssystems – das dem österreichischen sehr ähnlich ist – auf den Punkt. In zehn Schritten beschreibt er, wie Schule systematisch Schwarmintelligenz verhindere, abseits der realen Arbeits- und Lebenswelt existiere und die Kinder und Jugendlichen nicht adäquat auf die (digitalen) Herausforderungen vorbereite. Hinzu kämen veraltete Schulräume, eine undurchsichtige Behördenkultur und eine fehlende praxisbezogene Ausbildung der Lehrkräfte. Kurz: Alles schreit nach einer umgreifenden Reform. Und das schon sehr lang. In der ersten Hälfte des Buches werden die Baustellen – anhand von Daten und Studien – durchexerziert, im zweiten Teil verknappt der Autor auf die wichtigsten Eckpfeiler, enden tut es mit den Wünschen der Jugendlichen. Anspruchsvolle und wichtige Lektüre.

Ciao Digitalstress. In der Arbeit, beim Sport, beim Treffen mit Freunden – das Handy ist allgegenwärtig, und damit sind es auch die digitalen Technologien. Was das mit unserem Hirn macht, erklärt der Neurologe Martin Korte auf gut 300 Seiten in seinem kürzlich erschienenen Buch „Frisch im Kopf“. In einem Kapitel befasst sich Korte beispielsweise mit den Auswirkungen digitaler Hilfsmittel auf das Lernen von Kindern, erklärt etwa, weshalb Inhalte beim Lesen auf Bildschirmen schlechter verstanden werden als in einem Buch. Im Kapitel „Born online“ erläutert er wiederum, in welchem Kontext digitaler Medieneinsatz auch positive Auswirkungen auf unser Gehirn hat (Spoiler: Action-Videospiele sind gehirnfördernd für ältere Menschen). Und gibt stets differenziert, fakten- und studienbasiert Empfehlungen zur Nutzung digitaler Technologien. Eine Empfehlung für alle, die das Handy gern öfters weglegen würden oder auch mehr Hilfestellungen und psychologischen Input für den Umgang mit digitalen Geräten bei den eigenen Kindern brauchen.

Demokratie lernen. Der Philosoph Julian Nieda-Rümelin und der Bildungsforscher Klaus Zierer sind sich einig: Wer den immer stärker werdenden Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft eindämmen will, muss politische Bildung stärken. Etwa an den Schulen. Diese Überzeugung haben sie in dem 2023 erschienenen Buch „Demokratie in die Köpfe. Warum sich unsere Zukunft in den Schulen entscheidet“ zusammengefasst. Das Buch ist vor allem eines: ein Weckruf. Denn das Thema Bildung und Demokratiebildung werde nach wie vor nicht ernst genug genommen, meinen die beiden Autoren. Damit schwindet auch die sogenannte Demokratiefähigkeit – also das Erlernen, mit Demokratie umzugehen, Verantwortung zu übernehmen und Vertrauen in die Demokratie zu schaffen. Die Autoren erklären auf 200 Seiten sehr anschaulich und kurzweilig, was Demokratie, was Bildung genau ist und warum es Auftrag der Schulen ist, den Kindern ein Wertesystem zu vermitteln. Dazu geben sie konkrete Beispiele, wie solche Werte vermittelt werden können.

Persönliche Skizze. „Ich beginne jeden Unterricht mit der Prämisse, dass wir Gemeinschaft aufbauen müssen“, schreibt Bell Hooks in ihrem Buch „Die Welt verändern lernen“. Die 2021 verstorbene afroamerikanische Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Aktivistin veröffentlichte bereits zahlreiche Werke zum Thema Rassismus, Sexismus und Klassismus. Ihr Hauptanliegen: Es jungen Menschen zu ermöglichen, Barrieren zu durchbrechen, und kritische Reflexion zu wecken. In ihrem Buch plädiert Hooks, die unter anderem an der Yale University unterrichtet hat, für eine neue Pädagogik, erzählt aus ihrer eigenen Schul- und Studienzeit und beschreibt eindringlich die große Langeweile, die sie beim ewigen Auswendiglernen und Wiederkäuen von Informationen überkam. Auch berichtet sie von ihren Erfahrungen als schwarze Studentin an einer hauptsächlich „weißen“ Universität. Das Buch verbindet Kulturtheorie mit persönlichen Erfahrungen und schlägt gekonnt den Bogen zum Jetzt. Eine Bereicherung im oft sehr „weißen“ und starren Bildungsdiskurs.

Ungleiche Unis. Zu weiß, zu männlich, sozial und kulturell zu elitär und zu wenig nachhaltig. So lautet das ernüchternde Ergebnis der beiden Wissenschaftlerinnen Sabine Hark und Johanna Hofbauer, die in ihrem Buch „Die ungleiche Universität“ die Universitäten als höchste Bildungsinstitution einer Analyse unterziehen. Darin gehen sie den Gründen für diese anhaltende Ungleichheit nach, thematisieren die wachsende Prekarisierung des akademischen Personals und untersuchen jene institutionellen Mechanismen, die immer noch Rassismus, Sexismus und Klassismus produzieren. Gerade Diversitätspolitiken, so die beiden Autorinnen, seien oftmals reine Imagepolitik. Wie sich eine Uni sozial und kulturell wirklich nachhaltig öffnen ließe, dafür gebe es noch keine Lösung. Das knapp 200 Seiten lange Buch ist ein Anstoß für eine kritische Debatte über die Zukunft der Universität. Klug und verständlich geschrieben. Am Ende fühlt man sich ernüchtert.

Informatik mit Humor. Was ist der Mensch? Was bedeutet Glück im digitalen Wandel? Helfen uns digitale Technologien bei der Suche nach Sinn? Und kann unser Leben in dieser digitalen Welt wirklich noch leichter werden, als es sowieso schon ist? Der Homo cyber ist Bewohner einer virtuellen Welt und muss sich diesen Fragen stellen, geht es nach dem Informatiker und Pianisten Peter Reichl. Seit 2013 forscht und lehrt er an der Fakultät für Informatik der Universität Wien und beschäftigt sich dort mit den gesellschaftlichen Auswirkungen des digitalen Wandels. In „Homo cyber“ widmet sich Reichl anlässlich des 400. Geburtstags der ersten Rechenmaschine humorvoll und mit historischen Persönlichkeiten wie Freddie Mercury, Achill oder Rilke drängenden Fragen unserer Zeit.

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