Kino

Nur die Superreichen kommen in den Himmel

Im Fadenkreuz der High Society: „Veni Vidi Vici“, ein satirischer Thriller, u. a. mit Olivia Goscher (im Bild), feierte kürzlich beim renommierten Sundance-Filmfestival in den USA Premiere.
Im Fadenkreuz der High Society: „Veni Vidi Vici“, ein satirischer Thriller, u. a. mit Olivia Goscher (im Bild), feierte kürzlich beim renommierten Sundance-Filmfestival in den USA Premiere.Stadtkino / Ulrich Seidl Filmproduktion
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Das bunte Treiben der Oberschicht hat derzeit Hochkonjunktur. Nun erteilen zwei heimische Filme dieser Glamourisierung eine Absage: die Komödie „Die Vermieterin“ im Kino und „Veni Vidi Vici“ beim Sundance-Festival.

Die zeitlose Faszination der Film- und Serienwelt für das Lotterleben der Reichen (und manchmal auch Schönen) hat in den letzten Jahren einen neuen Höhepunkt erreicht – und gleicht immer mehr einer verzwickten Hassliebe. Einerseits wird die High Society in Kino- und Streaming-Produktionen von „Saltburn“ bis „The White Lotus“ als ruch- und verantwortungslos, weltfremd und ignorant dargestellt, wesentlich mitschuldig an den vielen Miseren unserer Gegenwart. Gleichzeitig kann Hollywood seine vielen Kamera-Augen einfach nicht von den irrwitzigen Eskapaden der Oberschicht abwenden: der Glamour! Das Laster! Der Prunk! Was für ein Spektakel!

Wo die Kritik aufhört und die Verherrlichung beginnt, lässt sich da oft nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Ob das in Österreich anders gehandhabt wird? Zwei neue Filme, deren Urheber sich nicht zum ersten Mal an der Kluft zwischen Arm und Reich abarbeiten, bieten diesbezüglich spannendes Anschauungsmaterial: „Die Vermieterin“ von Sebastian Brauneis und „Veni Vidi Vici“ von Daniel Hoesl und Julia Niemann.

„Die Vermieterin“: Wucher ahoi!

Brauneis, ein findiger Low-Budget-Entertainer mit sozialkritischer Ader, spielte schon in seinem gewitzten Film „3 Freunde 2 Feinde“ (2019) gefrustete Lohnarbeiter und „g’stopfte“ Erbsöhne gegeneinander aus. Sein jüngster Streich wartet nun mit einer halbernsten Triggerwarnung auf: Der folgende Film enthalte Szenen, die „unleistbare Lebenskosten, Mietschulden, drohende Wohnungslosigkeit und Existenzangst zum Inhalt haben“, was bei manchen Zuschauern „negative Reaktionen“ auslösen könnte.

Humorbefreit ist Brauneis nicht. „Die Vermieterin“ beginnt im satirischen Tonfall, mit der Titelfigur, die am Tennisplatz einer Bekannten ihr Leid klagt: Wie kann ein Mensch heute noch „normal“ leben, mit läppischen 3900 Euro Witwenpension? Verkörpert wird sie (mit g’feanztem Charme) von Margarethe Tiesel, was ihren Sympathiewert steigert. „Oasch“ bleibt sie aber doch, wenn sie einer hoffnungsvollen Schauspielerin (toll: Marlene Hauser) mit Unterstützung eines ausgekochten Maklers (Lukas Watzl) eine Mietwohnung andreht, deren Preis sie schamlos in die Höhe zu schrauben gedenkt.

Was zu allerlei turbulentem Hickhack führt, Brauneis-typisch inszeniert, in lebhafter, unverkrampfter Manier: Milieurealismus, Melodram und Komödie werden hier munter vermischt, selbst kurze Musicaleinlagen finden Platz – und keine Figur verkommt je zur bloßen Karikatur. Das vom Regisseur und seinem Team empfundene Unrecht am Wiener Wohnungsmarkt buchstabiert das wortreiche Drehbuch dabei wiederholt en détail aus: Filmisch nicht immer elegant, aber erfrischend ungeniert. Einen launigen Gastauftritt von Jedermann Philipp Hochmair und eine Konzerteinlage von Voodoo Jürgens gibt es obendrauf: Zu sehen ist „Die Vermieterin“ im Wiener Metro Kino.

„Veni Vidi Vici“: Wenn Reichtum tötet

Der reguläre Start von „Veni Vidi Vici“ steht indessen erst bevor. Dafür feierte dieser beizende Kunstthriller kürzlich beim renommierten US-Filmfestival Sundance Premiere. Die Filmemacher Hoesl und Niemann klagten schon in „Winwin“ eine Gesellschaft an, die sich von unbekümmerten Investoren im Machtrausch an der Nase herumführen lässt. Ihr neues Werk schlägt in dieselbe Kerbe, fordert das Publikum aber noch stärker heraus. Schon der Vorspann provoziert mit einem Zitat aus „The Fountainhead“, dem Zentralroman der libertären US-Autorin Ayn Rand: „The point is, who will stop me?“

So spricht bei Rand ein Architekt, der sich weigert, seine modernistischen Projekte sozialen Normen und Traditionen unterzuordnen. „Veni Vidi Vici“ spitzt diese dezidiert anti-moralische Heldengeschichte radikal zu: Ein milliardenschwerer Investor hat hier in seiner Freizeit einen „Mordsspaß“ dabei, x-beliebige Menschen auf offener Straße mit dem Jagdgewehr niederzuballern. Einfach nur, weil er kann. Hauptdarsteller Laurence Rupp porträtiert diesen Mörder allerdings nicht als einen machiavellistischen Bösewicht, sondern als fast schon kindlichen Spieler, verhaltensauffälligen Freigeist und herzhaften Familienmenschen; was seine Gewalttaten freilich noch obszöner macht.

Hinzu kommt, dass der mopsfidele Jagdfreund, der im Leben stets die Herausforderung sucht, am liebsten erwischt werden würde – und es immer weniger fassen kann, dass Politik, Exekutive und Zivilgesellschaft ihn trotz zunehmend erdrückender Beweislast konsequent unbehelligt lassen. Das erinnert nicht von ungefähr an „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“, den italienischen Filmkrimi-Klassiker von Elio Petri. Und spielt doch vor einem eindeutig österreichischen Hintergrund.

Die Schockeffekte des Films werden von seiner absichtsvoll überhöhten Ästhetik gedämpft; dennoch verstört diese abgründige Vision eines durch Reichtum und Indifferenz entfesselten „neuen Menschen“ jenseits von Gut und Böse. Als Gaumenreiniger empfiehlt sich ein heimischer Kurzfilm, der ebenfalls beim Sundance debütiert, „Bye Bye, Bowser“ von Jasmin Baumgartner: Eine tragikomische Lovestory zwischen Bauarbeiter und Punkerin, begleitet von schöner Musik der „Sentimental Fail Club House Band“.

„Die Vermieterin“ von Sebastian Brauneis: Bis 16. 2., Metro Kino, Wien. „Veni Vidi Vici“ von Daniel Hoesl und Julia Niemann soll 2024 in Österreich anlaufen.

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