Pädagogik

Geschlossene Kindergärten am Mittwoch: Österreich als Problemkind bei der Elementarbildung

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Symbolbild Reuters / Kai Pfaffenbach
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Am 24. Jänner begehen Aktivisten und Beschäftigte der Kindergärten seit 2018 jedes Jahr den Tag der Elementarbildung, um ihre Forderungen an die Politik zu deponieren. Wo gibt es den größten Handlungsbedarf?

Es ist ein Tag, an dem viele Eltern in Wien improvisieren müssen. Denn die öffentlichen Kindergärten bleiben am heutigen Mittwoch geschlossen. Die Beschäftigten begehen den Tag der Elementarpädagogik. Dabei wollen sie darauf aufmerksam machen, dass die Kinderbetreuung und -bildung in Österreich immer noch eine riesige Baustelle ist. Und das, obwohl unterschiedliche Akteure seit Jahren auf die Probleme in diesem Bereich hinweisen.

Das Finanzierungsproblem

Im vergangenen Jahr entschied die Regierung – nicht zuletzt wegen des großen Arbeitskräftemangels – das Thema ernsthaft anzugehen. Allerdings: Der finanzielle und pädagogische Rahmen wird von den Ländern festgelegt. Der Bund kann aber über die Bund-Länder-Vereinbarung eingreifen. So sollen nun 4,5 Milliarden Euro bis 2030 für einen Ausbau der Plätze und bessere Arbeitsbedingungen investiert werden. Das sei zu wenig, sagen Interessensvertreter. Sie sprechen von einem Bedarf von einer Milliarde Euro pro Jahr. Die Vorsitzende des Netzwerk elementare Bildung Österreich, Natascha Taslimi, will bei den Kindergärten endlich zu jenem „Koste es, was es wolle“ kommen, das in der Pandemie für die Wirtschaft gegolten habe. Aktuell werden in Österreich rund 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in elementare Bildung investiert. Das ist weniger als im EU-Schnitt (0,8 Prozent). Bei jenen Ländern, die als Vorbilder im Bereich Kinderbetreuung und Karrieremöglichkeiten für Frauen gelten, sieht das ganz anders aus. Dänemark kommt auf 1,3 Prozent des BIP, Schweden und Island auf 1,8 Prozent und Norwegen auf zwei Prozent. Würde Österreich so viel wie Dänemark investieren, müssten jährlich 2,4 Milliarden Euro zusätzlich in die Kinderbetreuungsstätten fließen, rechnet Sophie Achleitner, Bildungsexpertin am gewerkschaftsnahen Momentum Institut vor.

Das Personalproblem

Apropos Qualität: In einer österreichischen Kindergartengruppe kommen auf eine elementarpädagogische Fachkraft derzeit im Schnitt 13 Kinder. In Dänemark sind es sechs. Das liegt daran, dass es den Kindergräten massiv an Personal mangelt. Nicht aber, weil zu wenige eine Bildungsanstalt für Elementarpädagogik absolvieren, sondern weil zu wenige den Beruf dann auch tatsächlich ausüben wollen, erklärt Taslimi. Und auch der Ausblick in die Zukunft ist düster: Eine Studie im Auftrag des Bildungsministeriums lässt eine weitere Verschärfung der Personalnot erwarten: Berücksichtigt man Bevölkerungsentwicklung, Betreuungsquoten sowie Personalabgänge und -nachschub, könnten bis 2030 rund 13.700 Fachkräfte fehlen. Bei der eingeforderten Verbesserung der Fachkraft-Kind-Verhältnisse wären es sogar 20.200.

Das Betreuungsproblem

Gleichzeitig sollen so viele Kinder wie möglich in Betreuung gebracht werden, um vor allem Mütter aus der Teilzeit zu holen und so den Arbeitsmarkt zu entlasten. Mit den sogenannten Barcelona-Zielen gibt die EU ein Ziel vor, wie viele Kinder ein Staat in Betreuung bringen sollte. 2022 hat der Rat der EU diese Ziele erhöht: 45 Prozent der Kinder unter drei Jahren sollen 2030 an frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung teilnehmen. Österreich hat aber noch nicht einmal das das alte Ziel von 33 Prozent erreicht. Zumindest nicht bei den Unter-Dreijährigen. Hier liegt die Betreuungsquote aktuell bei 29,9 Prozent. Bei den Drei- bis Fünfjährigen wurde im Kindergartenjahr 2022/23 mit knapp 94,7 Prozent die Barcelona-Zielvorgabe (90 Prozent Betreuungsquote) mittlerweile erreicht, wobei die Werte je nach Bundesland schwanken. Das Problem: Nur etwa die Hälfte alle Betreuungsplätze sind so ausgestaltet, dass daneben eine Vollzeit-Beschäftigung der Eltern möglich ist.

Das Potenzial

Wie wichtig eine qualitative Kinderbetreuung etwa für den Spracherwerb ist, zeigt ihr Wegfall. Während der Corona-Zeit wurde das verpflichtende Kindergartenjahr ausgesetzt. Außerdem waren acht bis neun Prozent der Kinder in der Vorschule bzw. ersten Schulstufe weniger als ein Jahr in Österreich, konnten also keinen Kindergarten besuchen. Das Ergebnis zeigt die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos an den Bildungsminister: Statt die Zahl der außerordentlichen Schüler in der ersten Schulstufe um 20 Prozent zu senken, wurde diese verdoppelt. Laut Momentum Institut sei der Ausbau der Kinderbetreuung auch ein erster Schritt zur Armutsbekämpfung. Eine qualitativ hochwertige Betreuung im Kindesalte, bedeutet später eine größere Wahrscheinlichkeit auf eine bessere Ausbildung, geringere Gesundheitskosten und einer geringeren Wahrscheinlichkeit für Arbeitslosigkeit. 

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