Amanshausers Album

Bahnhöfe vergleichen, das führt zu nichts

Bahnhof Meidling.
Bahnhof Meidling.Clemens Fabry
  • Drucken

Rankings sind immer eine Kleinschlagzeile wert. Aber welchen und wessen Interessen dienen sie?

Im Journalismus muss es, besonders bei kleinen, kuriosen Meldungen, oft schnell gehen. Anders wäre kaum erklärbar, dass Dutzende deutschsprachige Medien Ende des Vorjahres jenen vergifteten „European Railway Station Index 2023“ zitierten, der die Hauptbahnhöfe von Zürich, Wien und Berlin in dieser Reihenfolge toplistet und in dem Wien Meidling sensationellerweise auf Platz zehn rangiert, immerhin drei Plätze vor dem Gare du Nord, sechs vor Roma Termini und elf vor London Liverpool Street. Zwar ist die durchaus praktische Station Meidling kein Bahnhof, sondern ein gebäudeloser Zwischenhalt, dafür fehlen im Index Spanien, Italien oder der Osten weitgehend.

Klickt man auf die „Studie“, gähnt einen komplette Unseriosität bei falscher Methodik an. Sie beruht auf teilweise inkorrekten Internetrecherchen. Viele der Daten stammen aus dem wenig repräsentativen Coronajahr 2021. Punkte werden für die Pünktlichkeit der Züge vergeben - das hat nichts mit dem Bahnhof zu tun - und zwar rätselhafterweise exakt am 3. Juli 2023. Punkte gibt es auch für den Eintrag des Bahnhofs in der Uber-App sowie für die Anzahl der erwerbbaren Ticketoptionen. So verwandelt sich das Klimaticket schwupps in einen Klotz am Ranking-Bein. Was Bahnhöfe ausmacht, fehlt in der Versuchsanleitung, unter anderem ein der Architektur angemessenes Passagier aufkommen, Orientierungsklarheit, Urbanität.

Fast die Hälfte der untersuchten Bahnhöfe befindet sich in Deutschland. Wieso nur? Ein Kollege des deutschen Onlinemagazins „Übermedien“ verwies auf die Urheber, das US-amerikanische Customer Choice Center, eine libertäre Lobbyorganisation mit Geldgebern aus Tabak-, Öl- und Gasindustrie. Dementsprechend wird in der absurd mageren „Studienanalyse“ Deutschlands Desaster auf die Einführung der 9- bzw. 49-Euro-Tickets zurückgeführt, allerdings ohne Belege. Cui bono? Das Ranking entlarvt nur die Ideologie seiner Hersteller und somit die Motive der Herstellung - Verächtlichmachen der staatlichen Subventionen und des Klimaschutzes in Deutschland. Egal, ich fahre trotzdem gern zum Nutznießerbahnhof Meidling.

Weiterlesen

Mehr Kolumnen auf DiePresse.com/amanshauser

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.