Wien

Touristen, ab in die Grätzel!

Touristen sollen künftig Grätzel wie das Servitenviertel entdecken.
Touristen sollen künftig Grätzel wie das Servitenviertel entdecken. Akos Burg
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2023 sorgten Wien-Besucher für Rekordumsätze in der Stadt. Heuer wirbt Wien gezielt mit unbekannteren
Seiten der Stadt, den sogenannten „Heartbeat Streets“ abseits der Sehenswürdigkeiten. Damit will man auf geänderte Reise-Erwartungen vieler Gäste reagieren.

Wien. Im heurigen Jahr sollen die Touristen nicht (nur) wegen Schönbrunn nach Wien kommen, nicht nur wegen Kultur und Kaiserinnen-Kitsch und dem restlichen Reiseführer-Pflichtprogramm.

Vielmehr wirbt Wien in der aktuellen Werbekampagne – auf Social Media und in zwölf Zielmärkten (u. a. den USA und dem arabischen Raum) – mit seinen „Heartbeat Streets“: Grätzeln, in die es Touristen üblicherweise weniger verschlägt, die keine der berühmten Sehenswürdigkeiten, dafür ganz andere Einblicke in die Stadt bieten.

Life-Seeing statt Sight-Seeing

„Noch vor fünf, sechs Jahren“, sagt Wiens Tourismusdirektor, Norbert Kettner, „hätten wir uns das nicht getraut“: international mit elf (kleinen) Grätzeln wie dem Kutschkermarkt oder dem Freihausviertel zu werben, „die viele nicht einmal aussprechen können. Aber jetzt trauen wir uns, und das Feedback ist überwältigend.“

Mit der Strategie glaubt man einen Trend vorwegzunehmen: Viele Reisende wollen künftig lieber ­„Life-Seeing statt Sight-Seeing“, das authentische Leben einer Stadt einfangen statt „nur die Must-Sees abhaken“. Sie wollen „mehr von der DNA einer Destination erfahren und nicht nur das, was in Reiseführern steht“. Dafür gibt es – wieder so ein Anglizismus – den Begriff „Transformative Traveling“, die Suche nach besonderen Erlebnissen, die es nur an diesem Ort gibt.

Der Meidlinger Markt ist eines der elf Grätzeln, mit denen Wien im Ausland um Touristen wirbt.
Der Meidlinger Markt ist eines der elf Grätzeln, mit denen Wien im Ausland um Touristen wirbt. Clemens Fabry

Fündig sollen sie in Wien in besagten „Heartbeat Streets“ werden: im Sonnwend- und dem Servitenviertel etwa, im Yppenviertel oder im (auch unter Wienern nicht sonderlich bekannten) Gußhausgrätzel hinter dem Karlsplatz. Der Fokus auf bisher touristisch kaum relevante Stadtteile scheint allein auch deswegen sinnvoll, weil immerhin 35 Prozent der Touristen Wiederkehrer sind, also schon mehrmals da waren und auf der Suche nach Neuem sein dürften. Kettner werde auch im Ausland nicht danach gefragt, „ob Wien eh immer noch schön ist“, sondern vielmehr, „was es Neues gibt“.

Mehr als eine Milliarde Nächtigungsumsatz

Zum anderen lassen sich durch neu beworbene Stadtteile im Idealfall auch die Touristenströme besser lenken, was etwa den überlaufenen ersten Bezirk entlasten soll. Das ist durchaus notwendig, denn Wien ist als Touristendestination wieder auf dem Vor-Corona-Rekordniveau: 2023 wurde – zum zweiten Mal in der Geschichte nach 2019 – die Eine-Milliarde-Marke überschritten, sprich: Der Umsatz, der durch rund 17,3 Mio. Nächtigungen lukriert wurde, betrug 1,08 Milliarden Euro. Und das noch ohne den Dezember, für den zwar schon die Nächtigungs-, aber noch keine Umsatzzahlen vorliegen.

Stark war der Dezember aber zweifellos: Europaweit war die Auslastung der Hotelbetten nur in Edinburgh und London höher als in Wien. Am 31. Dezember verzeichnete man in Wien auch die höchste Hotelzimmerrate in der Geschichte: Diese lag zu Silvester, traditionell gefragt und entsprechend hochpreisiger, durchschnittlich bei 280 Euro.

Eine Million US-Nächtigungen

Generell setzt man seit vielen Jahren auf wohlhabende Touristen und die noch kaufkräftigeren Kongressgäste. In China etwa, einem der wenigen Märkte, die seit der Pandemie noch immer nicht zurück sind, wirbt man nur noch „um den Luxusgast“, so Kettner.

Nach der Pandemie sind die USA ein sehr wichtiger Markt geworden, mittlerweile kommen nach Deutschen und Österreichern die meisten Wien-Touristen aus den USA. Im Vorjahr gab es (ebenfalls erst zum zweiten Mal in der Geschichte) mehr als eine Million Nächtigungen von Gästen aus den Vereinigten Staaten. Stark gewachsen ist auch die Zahl der Touristen aus Italien (plus 47 % gegenüber 2022), Großbritannien (+37 %) und Polen (+ 45 %). Insgesamt entfallen 82 Prozent der Nächtigungen in Wien auf ausländische Gäste, praktisch genauso viele wie vor der Pandemie (83 %).

2025 wird ein Strauß-Jahr

Auch in den kommenden Jahren will man mit weniger bekannten Grätzeln (und auch Ausflugszielen wie der Rax oder Schloss Laxenburg) werben. Wobei 2025 mit dem Strauß-Jahr – der Geburtstag des Komponisten jährt sich zum 200. Mal – auch wieder nach klassischer Walzerseligkeit-Werbung klingt. Außer Wien Tourismus überlegt sich da kreativere Zugänge. Oder wie Kettner sagt: „Wir müssen noch viel mutiger werden.“

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