Deutschland

Lieferkettengesetz bringt Betriebe „an den Rand der Verzweiflung“

Unternehmen in der EU sollen ihre Lieferanten besser im Blick haben.
Unternehmen in der EU sollen ihre Lieferanten besser im Blick haben. CFOTO/Future Publishing via Getty Images
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Die EU bastelt am Lieferkettengesetz, Deutschland hat bereits eines: Eine aktuelle Umfrage unter Industriebetrieben verheißt aber nichts Gutes. Auch in Österreich sehen Ökonomen die Gefahr von überbordender Bürokratie.

Heuer dürfte auf EU-Ebene die Richtlinie über das europäische Lieferkettengesetz beschlossen werden: Unternehmen in Europa sollen in die Pflicht genommen werden, für mehr Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten zu sorgen. Es geht um Umweltschutz-, Menschenrechts- und Arbeitsschutzstandards.

Deutschland hat sich bereits ein Lieferkettengesetz gegeben, es ist seit Anfang 2023 in Kraft und galt zunächst für Betriebe ab 3000 Beschäftigten und seit heuer auch für alle Unternehmen mit zumindest 1000 Beschäftigten. Für die Unternehmen ist die Kontrolle mit weitreichenden Dokumentationspflichten verbunden ist.

Eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) verheißt nichts Gutes. Darin kritisierten 92 Prozent der Unternehmen, die vom Lieferkettengesetz betroffen sind, dass der bürokratische Mehraufwand „sehr hoch“ oder „hoch“ sei. Für mittlere Unternehmen, die nur indirekt vom Gesetz betroffen sind, ist der bürokratische Aufwand demnach fast ebenso hoch – denn Großunternehmen fordern von ihren Zulieferern Nachweise, dass ihre Lieferanten im In- wie im Ausland die Menschenrechte einhalten. Das schreibt die „Welt“, die vorab über die Befragung berichtete.

„Enormer bürokratischer Aufwand“

„Der enorme bürokratische Aufwand, den das Gesetz erzeugt, bringt viele Betriebe, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, an den Rand der Verzweiflung“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm der „Welt“.

Schon jetzt müsse jedes zweite Unternehmen Leistungen externer Beratungsunternehmen oder Anwaltskanzleien in Anspruch nehmen. Befragt würden rund 400 Industrieunternehmen. Knapp jedes vierte Großunternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten reduziere bereits die Anzahl seiner Zulieferer, 14 Prozent prüfen den Rückzug aus risikoreichen Ländern. Weiters klagten drei Viertel der befragten Industriebetriebe, dass ihre Attraktivität im Ausland durch das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ gelitten habe.

Unerwünschte Nebeneffekte

Ökonomen sehen die Gefahr, dass sich auch das europäische Lieferkettengesetz zu überbordender Bürokratie und entsprechenden unerwünschten Nebeneffekten führt. Es bestehe die Gefahr, dass Unternehmen aus Angst vor Strafen Zulieferer aus möglicherweise problematischen Länden „ex-ante“ auslisten, warnte etwa Gabriel Felbermayr, Direktor des Wifo. Doch das sei widersinnig, da die „guten Firmen“ in diesen Ländern ja unterstützt werden sollen und auch die Lieferbeziehungen möglichst divers bleiben sollten. (red.)

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