Prozesstag 10

Kurz-Verteidiger beantragt vom Gericht Löschung aller Schmid-Chats

Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Straflandesgericht Wien.
Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Straflandesgericht Wien. (c) APA / Roland Schlager
  • Drucken

Ex-Kanzler Kurz wird falsche Beweisaussage rund um die Staatsholding Öbag vorgeworfen – er bestreitet. Am zehnten Verhandlungstag wurden drei Zeugen befragt und ein brisanter Antrag gestellt. „Die Presse“ berichtete live aus dem Wiener Straflandesgericht.

Drei Zeugeneinvernahmen und ein Antrag auf Löschung von zahlreichen Chatnachrichten prägten den zehnten Verhandlungstag im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli im Wiener Landesgericht für Strafsachen. 

Den Auftakt machte die Bankerin und Aufsichtsrätin der Staatsholding Öbag, Susanne Höllinger. Sie skizzierte gegenüber Richter Michael Radasztics, dass sie „keine freundschaftliche Beziehung“ zu Kurz gehabt und auch gar nicht gewusst habe, wer in den Jahren 2017 bis 2019 „aller im Kanzleramt gearbeitet hat“. Den im März 2019 zum Öbag-Vorstand bestellten Thomas Schmid habe sie bei einer Veranstaltung der damaligen ÖVP-Beraterin Gaby Spiegelfeld kennengelernt – das sei Ende 2018 oder Anfang 2019 gewesen. Bei dieser Gelegenheit sei Höllinger für ein Mandat im Aufsichtsrat der Staatsholding ins Gespräch gekommen. Die offizielle Frage, ob sie in den Öbag-Aufsichtsrat gehen wolle, sei etwas später per Telefonat erfolgt. Der damaligen Finanzminister Hartwig Löger habe sie „direkt angerufen“. Und sie habe zugesagt. 

Angesprochen auf Chats zwischen Bonelli und Schmid einerseits sowie Schmid und Kurz andererseits, in denen davon die Rede war, dass Höllinger ein „Niederösterreich-Netzwerk“ habe, „steuerbar“ sei und „delikate Sachen“ erledigt habe, zeigte sich die Zeugin wenig erfreut. Diese Formulierungen von Schmid seien ihrer Ansicht nach „entbehrlich“ gewesen – Schmid habe sich dafür mittlerweile auch bei ihr entschuldigt. 

Kern: „Bedauerlich, wenn Kurz sagt, er kennt mich nicht.“ 

Nach Höllinger wurde der ehemalige Vorsitzende des Öbag-Aufsichtsrates Helmut Kern in den Zeugenstand gerufen. Er schilderte, dass ihn Bonelli angerufen und dabei gemeint habe, dass sich „Löger in der Sache Öbag“ bei ihm melden werde. Das habe der damalige Minister dann auch getan und ihn gefragt, ob er den Vorsitz wolle. Er habe zugesagt. Kurz habe er zuvor bei einem „Österreich-Gespräch“ im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, wo Kern tätig war, erstmals persönlich kennengelernt. Das sei in Nationalratswahlkampf 2017 gewesen, im Zuge dessen es zu noch ein paar mehr Begegnungen gekommen sei. Konfrontiert mit Kurz‘ Aussage vor Gericht („Ich kannte ihn vorher nicht und er war nachher auf einmal Öbag-Chef. Okay“), zeigte sich Kern etwas enttäuscht: „Es ist bedauerlich, wenn er sagt, er kennt mich nicht.“ 

Bezüglich der Öbag habe er mit Kurz aber jedenfalls keinen Kontakt gehabt. Und auch stets klargemacht, dass er diese Rolle „als Unabhängiger“ anlegen wollte. Insofern habe er auch „keine Zurufe von außen“ bekommen, wonach Schmid zum Vorstand bestellt werden müsste. Dieser Kür sei ein Auswahlverfahren vorangegangen. Ob Schmid die dafür nötige Ausschreibung auf seine Person maßgeschneidert habe, wisse er nicht. 

Zwischen den Einvernahmen von Höllinger und Kern sorgte Kurz‘ Verteidiger Otto Dietrich für eine Überraschung. Er stellte den Antrag, von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA) sichergestellte Chats von Thomas Schmid zu löschen. Die Begründung: Sie seien verfassungswidrig sichergestellt worden. Die Oberstaatsanwälte Gregor Adamovic und Roland Koch hielten dagegen: Alles sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Richter nahm beide Sichtweisen zur Kenntnis und will morgen, Mittwoch, darüber entscheiden – an diesem Tag werden überdies Günther Helm, einstiger Öbag-Aufsichtsrat, und zwei russische Geschäftsleute via Zoom-Call aus Moskau befragt werden.

Brünner: „Ich war beruflich nicht empört“

Schon zuvor, nämlich noch am Dienstag, wurde Bernd Brünner in den Zeugenstand gerufen. Er war erst im Innen-, dann im Außenministerium tätig. Als die ÖVP dann die Nationalratswahl 2017 gewonnen hatte und Kurz Kanzler wurde, habe er Brünner gefragt, ob er sein Kabinettschef werden wolle. Brünner habe zugesagt, jedoch nur für ein Jahr, schilderte er vor Gericht. Die Arbeit sei nicht einfach gewesen: „Ich musste Kurz jagen, um Antworten zu bekommen“, schilderte er. Auf die sogenannte Schiefer-Schmid-Vereinbarung und einem damit verbundenen Emotionsausbruch konnte er sich hingegen nicht mehr im Detail erinnern: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals beruflich empört gewesen wäre“, meinte er. „Schön für Sie“, gab er Richter zurück und sorgte damit für kurze Erheiterung im Gericht.

Ernst wird es in wenigen Stunden wieder: Morgen, Mittwoch, wird Günther Helm, einstiger Chef des Diskonters Hofer und ehemals Öbag-Aufsichtsrat, als Zeuge befragt werden. Ab 13 Uhr sollen dann zwei russische Geschäftsleute via Zoom-Call aus der österreichischen Botschaft in Moskau einvernommen werden. Sie wollen mit Schmid im Sommer 2023 ein Bewerbungsgespräch geführt haben, im Zuge dessen der Hauptbelastungszeuge gemeint haben soll, von der WKStA unter Druck gesetzt worden zu sein. Der voraussichtlich letzte Verhandlungs- und damit der Urteilstag dürfte dann der 23. Februar werden. Der Liveticker zum Nachlesen:

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.