Klima im Wandel: Tourismus

Winter in Österreich: Skifahren ja, aber auf mehr Kunstschnee

Ohne Beschneiung kommt schon heute kaum ein Skigebiet durch die Saison (Bild: Kitzbüheler Alpen).
Ohne Beschneiung kommt schon heute kaum ein Skigebiet durch die Saison (Bild: Kitzbüheler Alpen).APA/EXPA/Stefanie Oberhauser
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Die Skisaison wird im Klimawandel immer kürzer. Doch auch 2050 kann man in Österreich gut Skifahren. Der Beschneiungsbedarf steigt. Touristen können selbst einen großen Beitrag leisten: Umweltfreundlich anreisen, ohne Auto.

Circa 70 Euro kostet in dieser Saison ein Tagesticket für die großen Skigebiete in Österreich. Selten gab es so viele Diskussionen in den Familien und Freundeskreisen, ob sich ein Skiurlaub noch auszahlt. Das Hammer-Argument lautet: „Leisten wir es uns jetzt noch, denn wer weiß, wie lang Skifahren mit dem Klimawandel überhaupt noch möglich ist.“

Die Situation zeigt, dass Touristen nicht nur Verursacher, sondern auch Betroffene des Klimawandels sind. Das bestätigt Ulrike Pröbstl-Haider vom Institut für Landschaftsentwicklung der Boku, die sich mit der Anpassung des Tourismus an Klimawandelfolgen beschäftigt: „Die touristische Nutzung unterscheidet sich wesentlich von anderen Landnutzungen, die auch vom Klimawandel betroffen sind.“ Denn Tourismus ist besonders von der Wahrnehmung der Urlaubsregion durch die Gäste abhängig.

Fakt

+ 2,1° Celsius war die Temperatur auf dem Patscherkofel (Tirol) höher als vor 90 Jahren. In hohen Lagen ist der Klimawandel stärker spürbar.

Nicht immer sind die Entscheidungen logisch: Laut Schweizer Befragungen fahren viele Touristen im Winter statt auf die Pisten mit dem Kreuzfahrtschiff auf Urlaub. Sie lassen sich also abschrecken, weil auf den Bergen wenig Schnee liegt, die Piste durch Beschneiung vielleicht als weißes Band in grüner Landschaft prangt, aber nutzen dann Kreuzfahrten, die in puncto Umweltverträglichkeit kaum besser sind. Pröbstl-Haider weiß auch, dass die Entscheidungen für Destinationen im Süden steigen, sobald die Kosten für die Beschneiung den Winterurlaub für die Menschen teurer machen.

Schneedaten seit circa 1760

Wie steht es um den Schnee auf Österreichs Bergen? Haben wir wirklich nur mehr wenige Jahre Zeit für Skiurlaube? Nein, der Schnee bleibt uns noch eine Weile erhalten, sagt Andreas Gobiet von Geosphere Austria. Er leitete das Projekt „Future Snow Cover Evolution in Austria“ und vergleicht Schneedaten ab circa 1760 bis heute mit Simulationsmodellen, die bis ins Jahr 2100 reichen.

Die Vorhersagen bis zur Mitte unseres Jahrhunderts sind sich einig: Der Klimawandel wird das ohnehin schon stark erwärmte Österreich noch weiter aufheizen. Für den Schnee in hohen Lagen bedeutet das einen klaren Rückgang, aber nicht so dramatisch wie in tiefen Lagen. „Die hochalpinen Messstationen in Österreich zeigen ein deutliches Plus von circa zwei Grad in der Periode von 1961 bis 2021. Durch die wärmere Luft kommt es aber regional auch zu mehr Niederschlag, und einzelne Jahre bringen mehr Schnee“, sagt Gobiet. „Das große Auf und Ab wird es immer geben, auch mit dem kontinuierlichen Anstieg der Temperaturen.“

Wir wollen weißen Winter

Gemeinsam mit der Uni Salzburg und der Uni Graz hat Geosphere Austria Schneemodelle und Klimasimulationen kombiniert und die Anzahl der Tage mit Schnee für die Zeit bis 2050 berechnet. „Der natürliche Schnee spielt eine besondere Rolle im Tourismus, weil die Menschen eine weiße Winterlandschaft sehen wollen“, so Gobiet.

»Jedes Zehntelgrad, das jetzt eingespart wird, hilft. Jede Tonne CO2 weniger hilft, die Auswirkungen abzuschwächen. Die Wintersportindustrie sollte sich viel lauter für Klimaschutz einsetzen.«

Andreas Gobiet

Geosphere Austria (vormals ZAMG)

In Zukunft müssen wir uns auf eine verkürzte Phase mit Naturschnee einstellen: Zehn bis 15 Tage weniger als heute beträgt die Naturschneesaison bis 2050. „Das heißt, dass in tiefen Lagen fast gar kein Schnee mehr zu sehen sein wird. Die Städte Wien, Graz und andere unter 500 Meter haben schon heute nur sehr wenige Tage mit Schnee“, sagt Gobiet. Auf 2000 Metern nimmt die Schneedeckendauer – bezogen auf die Anzahl an Tagen pro Saison – noch stärker ab. Verhältnismäßig bedeutet das aber „nur“ eine um circa zehn Prozent kürzere Schneedeckendauer als heute.

„Die Szenarien sind sich bis 2050 ähnlich, egal ob im Worst-Case-Modell, wenn gar nichts gegen den Klimawandel unternommen wird, oder beim Erreichen der Klimaziele“, sagt Gobiet. Die Schreckensszenarien ergeben sich bei weiterer Prognose bis ins Jahr 2100: Im Worst Case steigen die Temperaturen so rasant, dass die Schneedecke in den Alpen davon schmilzt bzw. sich erst gar nicht bilden kann. „Wenn wir die Paris-Ziele erreichen, also die Erwärmung einbremsen, bleibt es so ähnlich wie jetzt“, erklärt Gobiet. „Jedes Zehntelgrad, das jetzt eingespart wird, hilft. Jede Tonne CO2 weniger hilft, die Auswirkungen abzuschwächen. Die Wintersportindustrie sollte sich viel lauter für Klimaschutz einsetzen. Ein gewisses Umdenken findet heute schon statt.“

Globaler Bericht zu Tourismus

Das weiß auch Robert Steiger, Volkswirt am Institut für Finanzwissenschaft der Uni Innsbruck. Er war am ersten globalen Bericht zu Tourismus und Klimawandel beteiligt und berechnet die Auswirkung des Klimawandels auf Schnee- und Beschneiungsfragen: „Die Schneesaison wird immer kürzer, aber bisher gelingt es global gut, das mit Beschneiung auszugleichen.“

»Der größte Hebel für klimafreundlichen Tourismus ist die An- und Abreise der Gäste.«

Robert Steiger, Volkswirt

Institut für Finanzwissenschaft der Uni Innsbruck

Weil die Zahl der schneesicheren Gebiete abnimmt, steigt der Bedarf für technischen Schnee. „Das bedeutet mehr Wasserverbrauch, mehr Infrastruktur dafür und mehr Energieverbrauch“, sagt Steiger. In Österreich, wo der Strom großteils aus erneuerbaren Quellen kommt, ist das klimatechnisch nicht so ein Problem wie in Ländern, deren Stromerzeugung hohe Treibhausgasemissionen generiert.

Fakt

70 Prozent der tourismusbedingten Emissionen im Hochgebirge verursachen Touristen, die mit dem Pkw anreisen.

„Man darf nicht vergessen, dass heute schon fast alle Skigebiete auf Beschneiung setzen“, sagt Steiger. Nach seinen Berechnungen ist in 80 Prozent der österreichischen Skigebiete auch im Jahr 2050 noch Skifahren möglich, „wenn alle auf den heutigen Stand der Beschneiungstechnologie aufrüsten“. Alte Anlagen sind weniger leistungsfähig, da sie für die technische Beschneiung tiefere Temperaturen brauchen. „Der Bedarf für Beschneiung steigt jedenfalls um 50 bis 100 Prozent im Vergleich zu heute“, sagt Steiger.

»In 80 Prozent der österreichischen Skigebiete ist auch im Jahr 2050 noch Skifahren möglich, wenn alle auf den heutigen Stand der Beschneiungstechnologie aufrüsten.«

Robert Steiger

Institut für Finanzwissenschaft der Uni Innsbruck

Die Klimafolgen des Kunstschnees sind aber nicht so dramatisch wie das Verhalten der Urlauber. „Der größte Hebel für klimafreundlichen Tourismus ist die An- und Abreise der Gäste“, betont Steiger. Daher plädieren Forschende für einen stärkeren Ausbau der autolosen Infrastruktur. „Die Info, wo man ohne Auto hinkommt und welche Hotels nachhaltig sind, muss besser an den Gast kommen“, sagt Steiger. Menschen sind Gewohnheitstiere und brauchen Anreize fürs Umsteigen. In Salzburg gibt es beispielsweise günstigere Tageskarten mit dem Klimaticket bzw. eine Gratiszugfahrt mit dem Skiticket.

Was ist, wenn der Schnee fehlt?

Hier fehlt noch Konsumentenforschung zur Frage, was die Gäste brauchen, um langfristig auf öffentlichen Verkehr umzusteigen. „Und was machen die Gäste, wenn der Schnee fehlt?“, sagt Steiger. Die Tourismusgemeinden müssen lernen, wie man „den Gast halten kann“.

Bisher ungeklärt ist auch, ob und wie viele Touristen in Zukunft im Sommer in Österreichs Bergen urlauben: „Man hört, dass weniger Menschen ans Mittelmeer reisen, wenn es dort zu heiß wird. Doch welche Destinationen suchen sie sich dann?“, fragt Steiger, der vor allem in der jüngeren Generation – sowohl an der Uni als auch in seiner Familie – ein vermehrtes Bewusstsein für klimafreundliches Reisen ortet.

In Zahlen

+ 1,8° Celsius hat in Österreich die mittlere Temperatur seit Ende des 19. Jahrhunderts zugenommen. Das ist mehr als im weltweiten Mittel.

+ 2,1° Celsius war die Temperatur auf dem Patscherkofel/Tirol höher als vor 90 Jahren. In hohen Lagen ist der Klimawandel stärker spürbar.

+ 4,4° Celsius. Darauf steuert Österreich bis ins Jahr 2100 zu, wenn keine neuen Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden.

7 Tage weniger pro Jahrzehnt: Das hieß es für die Tage mit Schneedecke in Österreich in den Jahren 1960 bis 2020.

70 Prozent der tourismusbedingten Emissionen im Hochgebirge verursachen Touristen, die mit dem Pkw anreisen.

85 Prozent der Seilbahnunternehmen in Österreich beziehen Ökostrom, in Tirol laufen sogar 100 % mit Ökostrom.

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