Umweltökonomie

Ein Blick in die Zukunft der grünen Lunge Wiens

Auch im Wienerwald ist bereits ein Artenrückgang zu beobachten.
Auch im Wienerwald ist bereits ein Artenrückgang zu beobachten.Benedikt Kommenda
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Eine Fallstudie zum Wienerwald modelliert, wie sich Landwirtschaft und Artenvielfalt im Biosphärenpark unter Bedingungen des Klimawandels verändern werden. Einbezogen wurden Meinungen unterschiedlicher Stakeholder – vom Bürgermeister bis zur Biobäuerin. 

Es ist derzeit noch kaum vorstellbar, dass der Wienerwald, wie sich aus Modellen der Klimafolgenforschung ergibt, im Jahr 2050 ein ähnliches Klima wie Südwestungarn, 2080 gar wie Zentralserbien haben könnte. Steht die Region doch nicht nur historisch für ein Sommerfrische-Idyll, sondern auch gegenwärtig als Unesco-Biosphärenpark für Nachhaltigkeit und Grün im wörtlichen und übertragenen Sinn. Was dies in der Zukunft für die Landwirtschaft und die Artenvielfalt bedeuten kann, wird von einem Team der Boku und der Uni Wien im EU-Forschungsprojekt „Salbes“ („Scenarios for Agricultural Landscapes’ Biodiversity and Ecosystem Services“) untersucht.

„Wir sehen, dass Agrarlandschaften, deren landwirtschaftliche Nutzung, aber auch die biologische Vielfalt dieser Landschaften in besonderem Maße vom Klimawandel betroffen sind“, sagt Florian Danzinger vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Uni Wien. Veränderte Temperaturen und Niederschlagsmengen beeinflus­sen laut dem Biologen stark die Wachstums­bedingungen für landwirtschaftliche Nutz­pflanzen. Dies führe bereits heute zu An­passungen in der Landnutzung und werde in Zukunft nachhaltige Konsequenzen für die Agrarlandschaften haben, etwa, was Wasserhaushalt und Artenvielfalt betrifft.

Agrarpolitik spielt entscheidende Rolle

Im Projekt „Salbes“ wurde die Entwicklung des Wienerwalds neben jener von drei anderen Fallstudienregionen in Deutschland, Estland und der Schweiz analysiert. Dafür wurden statistische Modellierungen für landwirtschaftliche Kulturarten entwickelt, öko­nomische und ökologische Modelle erstellt, vor allem aber auch Expertisen von direkt und indirekt mit Landwirtschaft befassten Personen eingeholt. Zu diesen Stakeholdern zählten Landwirtinnen und Landwirte, Entscheidungsträger wie etwa Bürgermeister, Mitglieder von Vereinen oder NGOs.

Die Ergebnisse für den Wienerwald werden gerade sukzessive veröffentlicht. Sie zeigen zunächst, dass derzeit die gravierendsten Auswirkungen auf die Landwirtschaft noch nicht durch den Klimawandel verursacht werden, sondern durch veränderte Agrarmärkte und Agrarpolitiken. Bis circa 2050 seien die Entscheidungen der Bäuerinnen und Bauern wahrscheinlich maßgeblicher für die Biodiversität als der Klimawandel, sagt Katrin Karner vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Boku Wien. Vor allem der Verlust oder Zuwachs von wichtigen Lebensräumen wie Hecken und Rainen werde aktiv von Landwirtinnen und Landwirten gesteuert, so die Umweltökonomin.

Preiswahrheit gefordert

Die in Interviews und Workshops befragten Stakeholder seien sich in etlichen Fragen einig gewesen, betont Karner. Etwa darin, dass sich Konsummuster in Bezug auf den Fleischkonsum verändern und endlich Preiswahrheit hergestellt werden sollte – beispielsweise durch sozioökologische Steuern, die die Stakeholder in der Höhe von circa 250 €/t CO2-Äquivalenten ansetzen würden. Zudem legte man fest, dass die Anreize für eine ressourcenschonende, nachhaltige Landwirtschaft weiter erhöht werden müssten, hingegen Direktzahlungen für Bäuerinnen und Bauern, die nicht an weitere Umweltauflagen geknüpft seien, zu reduzieren seien.

Aufgrund der Nähe des Biosphärenparks Wienerwald zur Stadt Wien erwarteten die Stakeholder außerdem zunehmenden Druck auf verfügbare Flächen und Landpreise. Zudem habe man Zielkonflikte zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Schutz von Habitaten wahrgenommen. Die Stakeholder waren sich auch einig darüber, dass es in einem nachhaltigen Szenario keine Freiflächenfotovoltaik (PV) im Wienerwald geben kann, die ja auch schon jetzt in den Pflegezonen verboten ist. Sie sahen jedoch Chancen für Agri-PV, also für eine sogenannte Doppelnutzung, die zeitgleich Stromproduktion und landwirtschaftliche Bewirtschaftung ermöglicht – solang dazu keine sensiblen Habitate ausgewählt werden.

Dass im Wienerwald schon bisher ein Artenrückgang zu beobachten ist, war laut Karner nicht nur etwa Ökologinnen und Ökologen bewusst, sondern tatsächlich allen befragten Stakeholdern, etwa auch Bürger­meistern oder Landwirtinnen. „Da gab es einen großen gemeinsamen Nenner“, sagt die Umweltökonomin. „Das hat mich eigentlich am meisten überrascht.“

In Zahlen

20 Prozent (bis 2050) bzw. 50 Prozent (bis 2080) weniger durchschnittliche Erträge an Hafer errechneten statistische Modelle für den Wienerwald im Fall eines stärkeren Klimaszenarios (Temperaturanstieg von rund 2,5° C im Vergleich zum Jahr 2020).

10 Prozent (bis 2050) bzw. circa 18 Prozent (bis 2080) höhere Erträge an Soja wären bei einem solchen stärkeren Klimaszenario im Durchschnitt zu erwarten.

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