Und übrigens

„Was machen Sie beruflich?“ „Wie können Sie es wagen!“

Da war noch mehr erlaubt: eine Cocktailparty in den Siebzigern.
Da war noch mehr erlaubt: eine Cocktailparty in den Siebzigern.Getty
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Nach der geografischen Herkunft zu fragen ist längst verboten. Jetzt gilt auch noch der Job als Tabu. Für den Small Talk wird es langsam eng.

Zwei Menschen lernen sich kennen: Das kann das schönste, wichtigste Ereignis in beider Leben sein. Meist ist es aber nur mühsam. Sie werden einander im Rahmen einer Geselligkeit vorgestellt und mit ihrer gegenseitigen Fremdheit alleingelassen. Sie müssen einige Minuten oder – bei gesetzten Abendessen – sogar mehrere Stunden lang angestrengten Small Talk absolvieren, auch wenn sie sogleich erkennen, dass sie sich nichts zu sagen haben. Also: Worüber reden? Das so naheliegende, oft auch durchaus ergiebige „Woher kommen Sie?“ hat man uns untersagt, weil es mittlerweile pauschal als rassistisch gilt. Und jetzt wird uns auch noch das allseits beliebte „Was machst du so beruflich?“ genommen. Millennials und Vertreterinnen der Generation Z verbitten sich und verbieten uns diese Frage. Sie wollen nämlich nicht auf ihre berufliche Rolle reduziert werden, erklären sie. Das stecke sie in „Schubladen“, da fühlen sie sich unwohl. Und wie peinsam müsse doch das Antworten sein, wenn die inquirierte Person ihren Job hasst oder arbeitslos ist.

Dieses Verdikt der Jungen ist ein herber Verlust für all jene, die einfach nur ein Gespräch in Gang halten wollen. Über Arbeit und Branche zu reden, war bisher die sicherste Bank. Oft erwies es sich als einzige Möglichkeit, langweiligen oder gehemmten Talk-Partnern einen nicht allzu stockenden Informationsfluss zu entlocken. Und nicht selten ließen wir uns, nach dem ersten inneren Augenrollen, vom Erzählten fesseln. Denn es ist immer schön, wenn Menschen über etwas – und nicht selten das Einzige – referieren, von dem sie wirklich eine Ahnung haben, selbst wenn es um Drahterzeugung oder Versicherungsmathematik geht. Ergiebiger jedenfalls, als wenn sie sich banal und austauschbar zur Weltlage äußern. Zudem ist die tägliche Arbeit meist ein angenehm distanziertes Thema, bei dem die Emotionen draußen bleiben dürfen.

Deshalb erschließt es sich uns auch nicht, wieso die Jungen stattdessen partout über ihre Hobbys reden wollen. Das ist viel intimer, sollte also in der Gefühlslage der Schneeflocken als schamloses Eindringen in die Privatsphäre gelten. Ganz abgesehen von den Schubladen, in die wir Leute aufgrund ihrer Freizeitaktivitäten stecken – man denke nur an Briefmarkensammler, Schlammboxerinnen oder Stammgäste von Swingerclubs. Freilich: Wenn wir alle Themen derart durchdeklinieren, bleibt wenig übrig. „Was hörst du so?“: provoziert peinliches Gestammel bei Befragten, die sich nicht für solche Fälle eine Playlist zurechtlegen, und bei Fragestellern, die von den genannten Musikschaffenden nie gehört haben. „Wie war der letzte Urlaub?“: weckt kaum verheilte Traumata, wenn bei der Reise die Beziehung in die Brüche gegangen ist oder es zwei Wochen lang geregnet hat. „Wie heißt du?“: muss auf Non-Binäre, die sich weder als Peter noch als Paula richtig angesprochen fühlen, wie ein Keulenschlag wirken.

Da fällt uns nur noch ein: „So ein schönes Wetter heute!“ „Ja, aber recht frisch.“ „Aber ab morgen soll es viel milder werden.“ „Jaja, der Klimawandel.“ Der Rest sei Schweigen. Denn dieses ist, wenn uns zum Reden nur noch Blech bleibt, tatsächlich Gold.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

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