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Tauschgeschäft Papier gegen Bio

Ungarn. Die Kundin kauft Kalbfleisch. Und im Hintergrund fressen die Pudelzwillinge das weggeschnittene Fett. 
Ungarn. Die Kundin kauft Kalbfleisch. Und im Hintergrund fressen die Pudelzwillinge das weggeschnittene Fett. Martin Amanshauser
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Das Ende eines glücklichen Bio-Jerseykalbs: Kinga und Ildiko sind Fachfrauen beim Zerlegen.

Ein regnerischer Jännertag am Ausläufer des Mecsek-Hügellands, das sich bei Pécs aus der Tiefebene erhebt. Ein bisschen wie am Ende der Welt. Vor dem Hof steht Kingas Kleinwagen, daneben die Ruine einer Holzkutsche. Beim Parken Vorsicht, dass die Reifen sich nicht in den Matsch fressen! Obwohl, der rote Traktor zwischen den drei Wirtschaftshäusern mit seinem Heu-Anhänger könnte vermutlich jeden herausziehen. Hinter dem Traktor liegt eine Plastikplane. Seit gestern haben sich 30, 40 kleine Seen aus Blut auf ihr gebildet.

Vor dem Schuppen zerlegen Kinga und ihre Schwester Ildiko, gestandene Frauen um die 50, das 23 Monate alte, ausgeblutete Jersey-Kalb. „Viel besser als im Supermarkt, dort schneidest du durch einen Liter Wasser!“ Ildiko war lang Au-Pair in Deutschland, Kinga lebte früher als Pflegerin in Großbritannien. „Gestern war die Schlachtung“, erzählt Kinga, „wir ließen das Kalb auf die Wiese, es durfte noch einmal fressen. Der Jäger nähert sich von hinten, ein Schuss durch den Kopf. Es fällt gleich um, kein Adrenalin.“ Für die Tötung verrechnet der Jäger einen kleinen Betrag und darf ein bisschen Pàlinka-Schnaps trinken.

Die gelblich-hellbraunen Jersey-Rinder gehören zu den ältesten Züchtungen Europas. Während Ildiko unermüdlich schneidet - „ich hab mir das abgeschaut, ich mach‘ diese Arbeit echt gern“ - und überschüssiges Fett in einen Bottich plumpsen lässt, aus dem sich schwarze Pudelzwillinge bedienen, zeigt Kinga ein Video von der Geburt jenes Wesens, das nun fachmännisch in Stücke geschnitten wird.

Damit es auf die Welt kommen konnte, musste ein Stier gemietet werden, der zwei Monate auf den Wiesen der Schwestern blieb, Mietpreis im Erfolgsfall 50.000 Forint (130 Euro). Das saftige Kalb selbst würde später etwa das Zehn- bis Zwanzigfache wert sein. Offiziell können die Schwestern nicht verkaufen. Interessierte Freunde und Bekannte kriegen natürlich Fleisch. Sie geben Kinga und Ildiko einige Banknoten, ein Tauschgeschäft Papier gegen Bio. Und holen die Ware am Ende der Welt ab. „Nein, für mich ist es die Mitte!“, lacht Ildiko.

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