Gaza-Krieg

Israels Armee sprengt Häuser für Pufferzone in Gaza

Ein israelischer Panzer an der Grenze zum Gazastreifen. Auf der palästinensischen Seite sind zahlreiche Gebäude zerstört.
Ein israelischer Panzer an der Grenze zum Gazastreifen. Auf der palästinensischen Seite sind zahlreiche Gebäude zerstört.APA/AFP/Jack Guez
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Die „New York Times“ berichtet von der planmäßigen Zerstörungen von Gebäuden im Gazastreifen. Israel begründet das unter anderem mit der Schaffung eines „Sicherheitsstreifens“. Doch sehr viele der Sprengungen werden auch außerhalb des Grenzgebietes durchgeführt.

Israelische Soldaten stellen sich auf für ein Erinnerungsvideo. Dann ist im Hintergrund zu sehen, wie nach einer heftigen Detonation eine ganze Häuserzeile einstürzt. Es sind solche Aufnahmen, die Journalisten der „New York Times“ gemeinsam mit anderen Videos in sozialen Medien, auf Satellitenbildern und militärischem Bildmaterial analysiert haben. Das Ergebnis: Seit Beginn des Krieges hat Israels Militär bei mindestens 33 kontrollierten Sprengungen Hun­der­te Gebäude zerstört – darunter Mo­scheen, Schulen und ganze Wohnblocks, wie die „New York Times“ berichtet.

Die Luftangriffe und die Gefechte zwischen Israels Streitkräften und der Terrororganisation Hamas haben den Gazastreifen schwer gezeichnet. Internationale Hilfsorganisationen klagen über eine verheerende humanitäre Lage in dem Gebiet. Der britische Sender BBC schilderte zuletzt, dass mindestens die Hälfte der Gebäude im Gazastreifen beschädigt oder zerstört worden sei. BBC bezieht sich dabei auf die Auswertung von Satellitendaten.

Überfälle sollen verhindert werden

Besonders heftig waren die Bombardements zuletzt rund um die Stadt Khan Yunis im Süden des Gazastreifens. Israel vermutet dort die letzten Rückzugsbasen der Hamas. Israels Militär berichtet, dass – parallel zu den Luftangriffen – Soldaten am Boden in Feuergefechte mit den Extremisten verwickelt seien.

Am Donnerstag wurde weiter intensiv über eine Waffenruhe verhandelt. Dafür, dass Israel seine Offensive – zumindest vorübergehend – stoppt, sollen nach und nach die verbliebenen mehr als 100 Geiseln freikommen, die noch im Gazastreifen festgehalten werden. Die Hamas und andere palästinensische Gruppen hatten sie bei ihrem Terrorüberfall auf Israel am 7. Oktober verschleppt.

Bevor Israels Streitkräfte die Kämpfe einstellen, wollen sie aber offenbar noch Fakten schaffen. Dazu scheint auch die umfangreiche Sprengung der Gebäude im Gazastreifen zu gehören. Ein israelischer Militärsprecher begründete diese Vorgangsweise gegenüber der „New York Times“ mit der „Zerstörung von Terrorinfrastruktur“ – etwa von Tunnelsystemen, die die Hamas angelegt hat.

Doch israelische Regierungsvertreter, die anonym bleiben wollten, berichteten der US-Zeitung, dass auch noch eine andere Strategie dahinterstecke: Mit dem Planieren ganzer Häuserzeilen solle eine Pufferzone im Gazastreifen an der Grenze zu Israel geschaffen werden. Das solle künftige Überfälle wie das Terrormassaker vom 7. Oktober erschweren.

Schon vor Wochen war von israelischer Seite immer wieder angedeutet worden, dass eine Zone im Gazastreifen, die direkt vor Israel liegt, unbewohnt bleiben soll. Dazu kommen Überlegungen, dort auch nach Ende des Krieges israelische Truppen stationiert zu lassen. Israels Verteidigungsminister, Yoav Gallant, soll zuletzt in Gesprächen mit US-Vertretern versichert haben, eine solche Präsenz sei nur vorübergehend. Denn US-Außenminister Antony Blinken stellte bereits klar, dass die „territoriale Integrität Gazas erhalten“ werden müsse.

Zerstörung der Israa-Universität

Washington lehnt auch eine Rückkehr jüdischer Siedler in das Gebiet und die Vertreibung der palästinensischen Zivilbevölkerung ab. Derartige Ideen waren zuletzt von rechtsextremen Politikern der israelischen Regierungskoalition ganz offen geäußert worden.

Israelische Soldaten jagen aber nicht nur im Grenzgebiet gezielt Gebäude in die Luft. So berichtet die „New York Times“, dass der Großteil der von ihr identifizierten Zerstörungen außerhalb des Gebiets durchgeführt worden sei, das vermutlich Teil einer Pufferzone werden könnte.

Für internationales Aufsehen sorgte die Sprengung der Israa-Universität durch ein israelisches Kommando Mitte Jänner. Die Universität sei von der Hamas als Trainingscamp und Waffenfabrik genutzt worden, lautete die Begründung israelischer Militärsprecher. All diese israelischen Operationen würden „aufgrund militärischer Notwendigkeiten und in Einklang mit internationalem Recht“ durchgeführt. Der Genfer Völkerrechtsprofessor Marco Sasòlli bezweifelt das laut „New York Times“ aber: Dass etwa die Universität zuvor von feindlichen Kämpfern genutzt worden sei, sei keine Rechtfertigung für ihre Sprengung. Solche Zerstörungen dürften nur durchgeführt werden, wenn es absolut notwendig für die Militäroperation sei.

Die größten kontrollierten Zerstörungen, die die „New York Times“ entdeckt hat, hat Israels Armee in Shujaiyya, in den Außenbezirken von Gaza-Stadt, durchgeführt. Videos von Anfang Jänner zeigen zudem, wie Soldaten in der Stadt Khuzaa, östlich von Khan Yunis, mit mehreren Sprengungen fast 200 Häuser dem Erdboden gleichmachen.

21 Soldaten starben

Bei diesen Einsätzen rücken Soldaten in die Gebäude vor, platzieren Sprengladungen und zünden sie dann aus sicherer Entfernung. Und die Missionen sind auch für die Israelis gefährlich.

So erlitt Israels Armee bei einer dieser Aktionen einen der bisher schwersten Verluste an einem Tag: Vergangene Woche war eine israelische Kommandoeinheit gerade dabei, ein Gebäude für die Zerstörung zu präparieren, als sie aus dem Hinterhalt mit einem Panzerabwehrrohr beschossen wurde. Dadurch wurden die Sprengladungen in dem Haus ausgelöst. 21 israelische Soldaten starben.

Israelische Soldaten stellen sich auf für ein Erinnerungsvideo. Dahinter fliegt eine ganze Häuserzeile in die Luft. Es sind solche Aufnahmen, die Journalisten der „New York Times“ gemeinsam mit anderen Videos in sozialen Medien, Satellitenbildern und militärischem Bildmaterial analysiert haben. Das Ergebnis: Seit Beginn des Krieges hat Israels Militär bei 33 kontrollierten Sprengungen Hunderte Gebäude zerstört – darunter Moscheen, Schulen und ganze Wohnblocks, wie die „New York Times“ berichtet.

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