Der ökonomische Blick

Was kann Wettbewerb bewirken?

Ein zentrales Ergebnis der Forschung der letzten Jahre ist, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf Wettbewerb bzw. Information über zwischenzeitliche relative Leistungen reagieren. 
Ein zentrales Ergebnis der Forschung der letzten Jahre ist, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf Wettbewerb bzw. Information über zwischenzeitliche relative Leistungen reagieren. Imago/Zoonar.com/Alexander A. Piragis
  • Drucken
  • Kommentieren

Wettbewerbssituationen und damit verbundene Entscheidungen sind Teil unseres Alltags. Nicht nur im Sport, sondern insbesondere auch die Finanzmärkte stellen ein Umfeld dar, in dem Wettbewerb und riskante Beschlüsse alltäglich sind.

Soll eine Skiläuferin, die nach dem ersten Durchgang zwei Sekunden hinter der Führenden im soliden Mittelfeld liegt, im zweiten Lauf alles riskieren und voll auf Sieg fahren oder doch die bereits erreichte Zwischenplatzierung absichern? Wettbewerbssituationen und damit verbundene Entscheidungen wie diese sind Teil unseres Alltags: Beschäftigte konkurrieren um Arbeitsplätze, Unternehmen streben danach, besser als ihre Mitbewerber abzuschneiden, die besten Studierenden innerhalb eines Jahrgangs werden auf dem Arbeitsmarkt Vorteile haben. Daher ist es für Ökonominnen und Ökonomen wichtig zu verstehen, wie Akteure in Wettbewerbssituationen handeln und wie sie Entscheidungen treffen. Prozesse der Entscheidungsfindung sind komplex: Sowohl bewusste Entscheidungen sind hierbei relevant, als auch unbewusste Auswirkungen von Wettbewerb auf Leistung bzw. Produktivität.

Ein zentraler Aspekt von Entscheidungsprozessen in Wettbewerbssituationen sind Informationen, die Aufschluss darüber geben, wie groß der zwischenzeitliche Leistungsunterschied zwischen den Konkurrenten und Konkurrentinnen ist. In der Forschung wird dies als „relative Leistung“ benannt. Schülerinnen und Schüler bekommen ein Zwischenzeugnis und können ihre Leistung relativ zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern einordnen. Bewerben sich Unternehmen in Vergabeverfahren, können sie auf Basis vergangener Vergaben einschätzen, wie konkurrenzfähig sie sind. In Unternehmen werden jene Karriere machen, die besser als ihre Kolleginnen und Kollegen abschneiden, wobei oft klare Transparenz darüber vorhanden ist, wer gerade die Nase vorn hat (z. B. im Bezug aus Verkaufszahlen oder Renditen einzelner Abteilungen).

Ein zentrales Ergebnis der Forschung der letzten Jahre ist, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf Wettbewerb bzw. Information über zwischenzeitliche relative Leistungen reagieren. Es zeigt sich, dass Frauen beispielsweise deutlich anders als Männer reagieren, wenn sie ein positives oder negatives Signal über ihre eigene relative Leistung erhalten. Egal, ob das Individuen (Cohen-Zada et al., 2017, Lackner und Weichselbaumer, 2019) oder Arbeitsgruppen (Delfgaauw et al., 2013) betrifft. Oft zeigt sich, dass gerade Männer stärker reagieren und sich dadurch Parameter wie die zukünftige Leistung sowie das gewählte Risiko ändern.

Können Blasen verhindert werden?

Insbesondere Finanzmärkte stellen ein Umfeld dar, in dem Wettbewerb und riskante Entscheidungen alltäglich sind. Hier treffen Akteure ihre Risikoentscheidungen nach Beurteilung ihrer eigenen Performance relativ zur Konkurrenz auf dem Markt. Es ist nicht verwunderlich, dass Anlegerinnen und Anleger ihr Geld bei dem Investmentfonds anlegen, der in einem Vergleichszeitraum am besten abgeschnitten hat. Ein Ranking beispielsweise bietet eine konkrete Art kontinuierlichen Feedbacks darüber, wie weit die eigene Performance von der des Marktführers abweicht. Diese Information kann die Entscheidungen von Fondsmanager und -managerinnen beeinflussen und zu überhöhtem Risiko führen: Wenn nur der beste Fondsmanager den überwiegenden Teil des Kapitals anzieht, dann werden alle, die noch eine realistische Chance haben, als Nummer eins der Bestenliste abzuschneiden, ihr Risiko erhöhen.

Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, ist ganz klar ein inhärenter Bestandteil dieses Umfelds. Daher erscheint es auf den ersten Blick nicht verwunderlich, warum weniger Frauen in Spitzenpositionen von Investmentunternehmen oder Unternehmen allgemein vertreten sind, wenn man dem Ergebnis Glauben schenkt, dass Frauen und Männer unterschiedliche Risikopräferenzen aufweisen. Dabei scheint dies nicht nur eine Frage des Angebots, sondern auch eine der Nachfrage zu sein: In experimentellen Investmentfonds zeigt sich, dass Entscheidungsträger weniger bei Investmentfonds anlegen, je ausgeprägter ihre geschlechtsbezogenen Vorurteile sind (Niessen-Ruenzi und Ruenzi, 2019).

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse“-Redaktion entsprechen.

>>> Alle bisherigen Beiträge

Ergebnisse aus experimentellen Studien legen nahe, dass Finanzmärkte, auf denen mehr weibliche Akteure agieren, weniger dazu neigen, spekulative Blasen zu bilden (Eckel und Füllbrunn, 2015). Die Frage, inwieweit sich die Unterrepräsentation von Frauen und ihre spezifische Art, auf den Wettbewerb zu reagieren, auf Finanzblasen auswirkt, ist also ein wichtiger Bereich für künftige Forschung.

Sportdaten eröffnen neue Perspektive

Eine der jüngeren Entwicklungen in der Empirischen Wirtschaftsforschung stellt die Analyse von Sportdaten dar. Wo sollte man eher suchen, wenn man klar definierte Wettbewerbe mit ausführlichen Regelwerken und signifikanten finanziellen Anreizen, klaren Maßen für Entscheidungen und deren Konsequenzen sowie hochfrequente Daten für Individuen mit unterschiedlichen Charakteristika finden möchte? Im Sport lassen sich oft Variablen wie Risiko, aber auch die unmittelbar daraus resultierenden Ergebnisse sehr oft deutlich besser messen als in konventionellen Datensätzen zu Firmen oder Individuen. Es geht dabei allerdings nicht um klassische (ebenfalls interessante) sportökonomische Fragestellungen, sondern eher darum, den Profi- oder Amateursport als eine Art Labor zu verstehen, das dabei hilft, relevante Fragestellungen anderer Teildisziplinen der Ökonomie zu beantworten.

Viele jüngst publizierte Ergebnisse greifen auf Sportdaten zurück und leisten einen wichtigen Beitrag, die Erkenntnisse aus der Analyse von Registerdaten oder Laborexperimenten zu ergänzen. Auch ein Forschungsprojekt an der Johannes-Kepler-Universität (Linz), finanziell gefördert vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank mit der Projektnummer 18827, beschäftigt sich mit der Frage, wie Individuen auf Wettbewerb reagieren. Ein wesentlicher Teil dabei ist die Analyse von umfangreichen Daten aus Sportwettbewerben, die eine einzigartige Möglichkeit bieten zu verstehen, wie Wettbewerb und die Information über zwischenzeitliche relative Leistung ökonomische Entscheidungen beeinflussen.

Der Autor

Beigestellt

Mario Lackner ist Senior Scientist an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Er forscht insbesondere im Bereich der Verhaltensökonomik und verwendet für seine Studien oft Sportdaten als Grundlage. Er leitet seit September 2023 das Forschungsprojekt Relative Performance Feedback and Economic Decisions, das vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank gefördert wird.

Literatur

Cohen-Zada, D., Krumer, A., & Shtudiner, Z. E. (2017). „Psychological momentum and gender.“ „Journal of Economic Behavior & Organization“, 135, 66–81.

Delfgaauw, J., Dur, R., Sol, J., & Verbeke, W. (2013). „Tournament incentives in the field: Gender differences in the workplace.“ „Journal of Labor Economics“, 31(2), 305–326.

Eckel, C. C., & Füllbrunn, S. C. (2015). „Thar she blows? Gender, competition, and bubbles in experimental asset markets.“ „American Economic Review“, 105(2), 906–920.

Lackner, M., & Weichselbaumer, M. (2023). „Can barely winning lead to losing? Gender and past performance.“ „Journal of Economic Behavior & Organization“, 208, 258–274.

Niessen-Ruenzi, A., & Ruenzi, S. (2019). „Sex matters: Gender bias in the mutual fund industry.“ „Management Science“, 65(7), 3001–3025.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.