Die Ich-Pleite

„Die sind doch alle narrisch“

Carolina Frank
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Nichts gegen den sympathischen Franz Klammer, aber im Zweifel bewundere ich Nicola Werdenigg doch ein bisschen mehr.

Zufälle gibt es. Mein Kalender informierte mich gerade eben darüber, dass die österreichische Sportreporterlegende Edi Finger am 29. Jänner vor hundert Jahren geboren wurde. Und am selben Tag erblickte die italienische Komponistenlegende Luigi Nono das Licht der Welt. Der Sound meiner Tiroler Jugend wurde aber weniger vom Komponisten geprägt als von den aus den dörflichen Wohnzimmern dringenden Koloraturen des Reporters. „I werd narrisch“ war auch in den Bergen ein geflügeltes Wort, das wichtigere akustische Meme ist dort aber natürlich die große olympische Kadenz, die Franz Klammers Zieldurchfahrt musikalisch begleitete: „1:42, 1:43, 1:44, jawoll, Bestzeit!“ Vielleicht hätte Luigi Nono, dessen bekanntestes Werk den Titel „Durchlittene heitere Wellen“ trägt, mit dieser Begleitmusik zum abwärts stürmenden Skistar seine Freude gehabt.

Umgekehrt war von den Dorfbewohnern eher ein „I werd narrisch“ zu hören, wenn im verhassten Kulturteil der „Zeit im Bild“ Musik von zeitgenössischen Komponisten erklang. Eher noch: „Die sind doch alle narrisch.“ Dass Franz Klammer in Innsbruck den Olympiasieg holte, freute die Österreicher so sehr, dass es sogar schon einen Film über ihn gibt. Er war schon ein mutiger Hegel. Zufällig erscheint auch gerade ein Film über die mutige Frau Werdenigg, die Missbrauchsfälle im Österreichischen Skiverband aufdeckte. Zwei sehr unterschiedliche österreichische Heroen. Nichts gegen den sympathischen Franz, aber im Zweifel bewundere ich Nicola Werdenigg doch ein bisschen mehr. Ihre Gegner sind noch etwas brutaler als die Streif, wenn auch nicht ganz so intelligent. Erinnern kann sich keiner an nichts. Zufälle gibt es. Ob Edi Finger davon wusste, ist nicht überliefert.

 (Die Presse Schaufenster, 15.12.2023)

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