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Der älteste Schuh der Welt – fast wie Manolo Blahnik

In den Schluchten in der mystischen Gegend um Garni jagte man gut – brauchte aber auch festes Schuhwerk.
In den Schluchten in der mystischen Gegend um Garni jagte man gut – brauchte aber auch festes Schuhwerk.Martin Amanshauser
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Bei Garni in Armenien gibt es keine Leoparden mehr, aber den ältesten Schuh der Welt, mokassinartig.

In Wajoz Dsor (diese kleine Provinz heißt „Schlucht der Trauer“) im Oberen Azat-Tal, in der mystischen Gegend um Garni – einst Sommersitz der Könige Armeniens –, wurde im Jahr 2007 von Archäologen in einer Karsthöhle ein 6100 Jahre alter Weinkeller entdeckt, aus der späten Kupferzeit. Er gilt als der älteste der Welt, die Höhle wird Areni-1 genannt. Im Sommer stiegen die Temperaturen in dieser kontinentalen Zone extrem, im Winter liegt Schnee. Kühle Unterkünfte mit stabilen Temperaturen brauchte man dringend.

Das zerklüftete Terrain eignete sich mit seinen Tälern und Schluchten ideal für die Jagdmethoden unserer Vorfahren. Wälder, Grasebenen, Plateaus und „Badlands“ prägen die Landschaft, geschickte Jägergruppen konnten im Idealfall ganze Herden in die Falle locken. Gefahren gab es jede Menge: zum Beispiel den Persischen Leopard, auch Kaukasusleopard genannt. Inzwischen sind diesem hellsten aller Leoparden die Beutetiere ausgegangen, seine Ziegen, Gazellen und Rehe. Er lebt noch als „Reliktpopulation“ in der Provinz Ararat, er verlor die Verbindung zu seinen Leopardenkollegen im Nordiran.

Nach 5500 immer noch nicht verrottet

Man brauchte Schutz, um sich in dieser steinigen, dornigen Umgebung zurechtzufinden, besonders für die Füße. Der älteste (geschlossene) Lederschuh unserer Zivilisation kam 2008 in Areni-1 zum Vorschein. Die Fußbekleidung, Schuhgröße 37, aus einem einzigen Stück Rindsleder gefertigt, mokassinartig, wurde ungefähr vor 5500 Jahren getragen, unklar, ob von Mann oder Frau. Die Machart war durchaus exklusiv, vorn und hinten verschloss ihn eine Lederschnur. Manolo Blahnik, weltbekannter Schuh-Großmeister, äußerte sich verblüfft zu diesem Prototyp: „Unglaublich, wie sehr er einem modernen Schuh ähnelt!“

Der Schuh war nur deshalb nicht ver­rottet, weil ihn in der kühlen, trockenen Höhle durch die Jahrhunderte mehrere Schichten Schafsdung geradezu ver­siegelten. Seit 2023 ist sein Rekord in Gefahr: In einer Höhle bei Málaga wurde ein Schuh aus Pflanzenfasern entdeckt, der an die 6000 Jahre alt sein soll. Armenien hofft seitdem, dass dieser spanische Treter nur als „Sandale“ zählt.

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