Menschenrechte

Nawalnys Mutter hat Leiche ihres Sohnes gesehen

Ljudmila Nawalnaja in ihrer Videobotschaft am 22. Februar.
Ljudmila Nawalnaja in ihrer Videobotschaft am 22. Februar.Reuters / Alexei Navalny Youtube Channel
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Ljudmila Nawalnaja wirft dem Kreml vor, ihren Sohn Alexej heimlich unter die Erde bringen zu wollen. Ihr sei auch die offizielle Todesursache mitgeteilt worden. US-Präsident Biden hat indes Nawalnys Frau und Tochter in den USA getroffen.

Die Mutter des im russischen Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny hat nach tagelangem Warten Zugang zu seiner Leiche erhalten. Sie habe den Körper ihres Sohnes in der Leichenhalle gesehen, aber diesen nicht ausgehändigt bekommen, teilte Ljudmila Nawalnaja am Donnerstag in einem Video mit. Der 47-Jährige war am Freitag vergangener Woche im Straflager gestorben. Seither hatte die Mutter die Leiche in der Region am Polarkreis gesucht.

Sie forderte erneut in dem Video, dass ihr der Leichnam ausgehändigt werde, damit sie ihn beerdigen könne. Sie warf dem Machtapparat vor, Nawalnys Leiche heimlich unter die Erde bringen zu wollen.

„Sie stellen Bedingungen, wo, wann und wie ich Alexej beerdigen soll. Das ist gegen das Gesetz“, sagte sie. Die Ermittler hätten gedroht, etwas mit der Leiche anzustellen, wenn sie einem heimlichen Begräbnis nicht zustimme. Deshalb habe sie sich an die Öffentlichkeit gewandt, weil die Angehörigen, aber auch die Anhänger die Möglichkeit haben sollten, sich von Nawalny zu verabschieden.

Angeblich natürlicher Tod festgestellt

Nawalnys Mutter sagte auch, dass sie über den Abschluss der medizinischen Untersuchung informiert worden sei, auch über die Todesursache. Sie nannte diese aber nicht. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch schrieb auf der Online-Plattform X (vormals Twitter) kurz nach Veröffentlichung des Videos der Mutter, dass die medizinische Expertise angeblich einen natürlichen Tod festgestellt habe. Dagegen werfen Nawalnys Frau Julia, sein Team und auch Menschenrechtler Kremlchef Wladimir Putin vor, er habe den Oppositionellen, der 2020 nur knapp einen Giftanschlag überlebte, ermorden lassen.

Sie habe 24 Stunden alleine mit Ermittlern und Kriminalbeamten verbracht, sagte Nawalnys Mutter. Am Mittwochabend sei sie dann in die Leichenhalle in der Stadt Salechard im Norden Russlands gelassen worden. Ljudmila Nawalnaja äußerte sich nicht dazu, in welchem Zustand die Leiche ihres Sohnes war.

Der russische Machtapparat hält die Leiche weiter unter Verschluss. Menschenrechtler, Angehörige und Unterstützer werfen Putin vor, er habe seinen Gegner im Straflager ermorden lassen. Der Kreml weist die Anschuldigungen zurück.

Russisch-orthodoxe Geistliche fordern Freigabe der Leiche

Hunderte russisch-orthodoxe Geistliche und Laien haben laut Kathpress in einem Appell den Moskauer Machtapparat zur Freigabe der Leiche des im Straflager gestorbenen Kreml-Gegners Alexej Nawalny aufgefordert. „Wir fordern Sie auf, den Leichnam von Alexej Nawalny an seine Familie zu übergeben, damit seine Mutter, andere Familienangehörige und Gleichgesinnte sich von ihm verabschieden und ihm ein christliches Begräbnis bereiten können“, hieß es in dem Appell.

Die russisch-orthodoxen Gläubigen erinnerten Putin, der sich selbst oft mit Kerze in der Hand in Kirchen zeigt, daran, dass es christliche Regeln gebe; die Angehörigen hätten einen Anspruch auf die Beerdigung. „Das ist nicht nur ihr Wunsch und ihr gutes Recht, sondern auch ihre Pflicht gegenüber Gott und dem Verstorbenen“, hieß es in dem Appell, der seit Mittwoch im Internet abrufbar ist und 800 Namen aufwies, der am Donnerstag auch vom Team des Oppositionellen verbreitet wurde. Nach orthodoxem Brauch sollen Gläubige am dritten Tag nach ihrem Tod beerdigt werden. „Alexej Nawalny war nicht nur ein Oppositionspolitiker, er war auch ein gläubiger Mensch.“

Biden traf Frau und Tochter Nawalnys in Kalifornien

US-Präsident Joe Biden hat indes Nawalnys Frau und Tochter in Kalifornien getroffen. Biden veröffentlichte am Donnerstag Bilder von dem Treffen mit Julia Nawalnaja und der 23 Jahre alten Tochter Darja auf X, vormals Twitter. Er schrieb dazu, Nawalnys Vermächtnis werde durch die beiden und die „unzähligen Menschen in ganz Russland, die für Demokratie und Menschenrechte kämpfen, weiterleben“.

Die USA wollen als Reaktion auf den Tod des russischen Oppositionspolitikers und auf den seit zwei Jahren andauernden russischen Angriffskrieg in der Ukraine am Freitag neue Sanktionen gegen Russland bekannt geben. Es handle sich um ein „umfangreiches Sanktionspaket“, kündigte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, an. Biden habe sein Vorhaben bei dem Treffen mit der Witwe und der Tochter Nawalnys bekräftigt, hieß es.

Alexej Nawalnys Frau Julia hat indes das erste gemeinsame Bild mit ihrer trauernden Tochter Darja veröffentlicht. „Mein süßes kleines Mädchen. Ich bin ja zu dir geflogen, um dich zu umarmen und zu unterstützen, aber du sitzt da und unterstützt mich“, schrieb Julia Nawalnaja in einem am Donnerstag bei Instagram veröffentlichten Beitrag. „Du bist so stark, so mutig und standhaft. Wir werden mit allem fertig, mein Herz. Wie gut, dass du an meiner Seite bist. Ich liebe dich.“ Die Nawalnys haben , neben der 23 Jahre alten Darja auch einen 15 Jahre alten Sohn.

Darja Nawalnaja war in der Vergangenheit immer wieder auch mit politischen Forderungen nach Freilassung ihres inhaftierten Vaters in Erscheinung getreten und hatte etwa auch Reden zu seiner Ehrung bei Preisverleihungen gehalten. Sie studiert an der Universität Stanford in den USA.

Nawalnys Witwe war am Freitag nicht sofort zu den Kindern gereist, sondern hatte zunächst auf der Münchner Sicherheitskonferenz Kreml-Chef Wladimir Putin vor der Weltöffentlichkeit für das Schicksal ihres Mannes verantwortlich gemacht.

Nawalny ist am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ in der sibirischen Arktisregion Jamal ums Leben gekommen. Der durch einen Giftanschlag im Jahr 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Die Todesursache ist unklar. (APA/dpa)

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