Prozesstag 12

Richter verkündet Urteil: „Sebastian Kurz ist schuldig“

Ex-Kanzler Sebastian Kurz am Freitag vor Prozessbeginn
Ex-Kanzler Sebastian Kurz am Freitag vor ProzessbeginnReuters / Leonhard Foeger
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Ex-Kanzler Sebastian Kurz wird zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. In zwei Punkten wird er von Richter Michael Radasztics freigesprochen. Kurz meldet Berufung an - damit ist das Urteil nicht rechtskräftig. „Die Presse“ berichtete live aus dem Gericht.

Es war der zwölfte Tag im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen einstigen Kabinettschef Bernhard Bonelli - und es ist der vorerst letzte. Nach Verlesungen und Schlussplädoyers sprach Richter Michael Radasztics kurz nach 19 Uhr das Urteil: „Sebastian Kurz ist schuldig“ der Falschaussage im parlamentarischen Ibiza-U-Ausschuss. Das bedeutet: acht Monate bedingte Freiheitsstrafe. Auch Bonelli wird als schuldig erachtet und erhält eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten. In einzelnen Punkten gab es für beide Angeklagte aber auch Freisprüche, etwa zur Vorstandsbestellung in der Staatsholding Öbag. Kurz und Bonelli legten umgehend Rechtsmittel ein, damit ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Unschuldsvermutung gilt weiterhin.

Zuvor hatten die beiden Oberstaatsanwälte, Gregor Adamovic und Roland Koch, sowie die Verteidiger von Kurz (Otto Dietrich) und Bonelli (Werner Suppan) ihre Schlussvorträge gehalten. „Selten war ein Fall der Falschaussage so klar gelagert“, hatte Adamovic gemeint. So würden nicht nur Zeugenaussagen, sondern auch Chats und politische Aktionen zeigen, wie wichtig Kurz die Macht über Personalia gewesen sei. So habe er bei seiner Kür zum ÖVP-Chef schon darauf bestanden, alleine entscheiden zu dürfen. Ähnlich sei er in der türkis-blauen Koalition vorgegangen – Stichwort: Sideletter. „Für Kurz hatten Personalentscheidungen höchste Priorität“, so Adamovic. „Er hatte nie die Rolle eines reinen Informationsempfängers.“ Vielmehr seien die formal zuständigen Minister über seine Entscheidungen informiert worden.

Kurz-Verteidiger Dietrich betonte anschließend: „Kurz hat im U-Ausschuss nicht falsch ausgesagt.“ Er habe wahrheitsgemäß ausgesagt. Das zeige schon alleine der Umstand, dass die WKStA dem Ex-Kanzler auch gar nicht seine tatsächlichen Aussagen vorwerfe, sondern „ihre Interpretation davon“. Aber diese Interpretation sei eben nicht die Wahrheit. Ähnliches postulierte Bonelli-Verteidiger Suppan. Er warf den Oberstaatsanwälten einen „Zusammenbau von Antwortfragmenten“ vor sowie „einen versuchten Zusammenbau einer anderen Wirklichkeit“. Und er sah eine Ungerechtigkeit: Schmid wie Bonelli hätten ausgesagt, dass der Finanzminister für die Bestellung der Öbag-Aufsichtsräte zuständig gewesen sei – Bonelli wurde angeklagt, Schmid nicht.

„Erniedrigendste, das ich je erlebt habe“

Die Schlussworte vor dem Urteilsspruch gehörten den beiden Angeklagten. Kurz nahm den Ball seines Verteidigers auf und betonte, dass ihm die WKStA Interpretationen vorwerfe, nicht jedoch das, was er tatsächlich gesagt habe. Es sei befremdlich, „von anderen zu hören, wie man etwas gemeint haben soll“. Und es „fühlt sich innerlich ziemlich furchtbar an, man fühlt sich ziemlich wehrlos“.

Bonelli sprach davon, dass er soeben einen der „erniedrigendsten Momente“ seines Lebens durchmache. Und dankte seiner Familie für den Beistand in dieser Zeit. Der Liveticker zum Nachlesen:

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