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Selenskijs Tabula rasa hat einen üblen Beigeschmack

(c) Peter Kufner
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Der Präsident hat seinen populären Oberbefehlshaber Saluschnij mitten im Krieg ausgetauscht. Eine riskante Entscheidung.

Einen schlechteren Zeitpunkt, um eine Tabula rasa in der Militärführung des Landes vorzunehmen, hätte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij eigentlich gar nicht wählen können: Die seit Monaten schwerst umkämpfte ostukrainische Stadt Awdijiwka vor dem Fall, ein akuter Mangel an Kriegsgerät und Munition vor allem wegen ausbleibender westlicher Waffenlieferungen, gravierende Personalengpässe in so manchen Infanterie-Einheiten, die im Fronteinsatz stehen.

Dennoch entließ Selenskij am 8. Februar seinen Oberbefehlshaber Valerij Saluschnij und ernannte an seiner Stelle Generaloberst Oleksander Syrskij zum obersten Militärchef. Die Entlassung kam nicht überraschend, spätestens Anfang November waren Differenzen zwischen Selenskij und Saluschnij offenkundig geworden.

Aber schon zuvor hatte Selenskij die Position Saluschnijs untergraben, indem er hinter seinem Rücken Untergebene des Oberbefehlshabers kontaktierte und direkte Anweisungen gab. Und der Präsident nahm personelle Veränderungen vor, ohne diese mit Saluschnij abzusprechen.

Der ehemalige ukrainische Armeechef, Generalleutnant Ihor Romanenko, warf dem Präsidenten und seiner Administration überdies vor, sie hätten Saluschnij nicht zugehört, als dieser auf brennende Probleme wie die notwendige Rotation von Fronttruppen, die Mobilisierung neuer Soldaten sowie den Mangel an Ausrüstung und Kriegsgerät aufmerksam gemacht hatte. „Weil die Regierung ihm nicht zuhörte, war er gezwungen, sich in ausländischen Medien zu den ungelösten Problemen zu äußern“, spielte Romanenko auf Saluschnijs Wortmeldungen im Londoner „Economist“ und zuletzt im TV-Sender CNN an. Die wirbelten Staub auf und erbosten die politische Führung, weil der Oberbefehlshaber die Lage offen angesprochen hatte („ein Stellungskrieg wie im Ersten Weltkrieg“).

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