Krieg im Nahen Osten

Joe Bidens missverstandener Optimismus: Ohne Geisel-Deal wird es keine Feuerpause geben

Der Besuch von US President Joe Biden in der Sendung „Late Night with Seth Meyers“ in New York City sorgte für Aufsehen.
Der Besuch von US President Joe Biden in der Sendung „Late Night with Seth Meyers“ in New York City sorgte für Aufsehen.APA / AFP / Jim Watson
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US-Präsident Biden hofft auf Deal mit Hamas bis kommenden Montag und spricht in US-Medien über Israels Bereitschaft zu einer Feuerpause während des Ramadans, als wäre er schon ausverhandelt. Mittelfristig will Israels Premier Netanjahu ohnehin nicht von einer Offensive in Rafah abrücken: „Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen“.

Israel ist nach Angaben von US-Präsident Joe Biden dazu bereit, die Kampfhandlungen im Gazastreifen über den muslimischen Fastenmonat Ramadan einzustellen. Zugleich hoffe er, dass bereits Anfang kommender Woche eine Waffenruhe in Kraft trete, sagte Biden in einem am Montag aufgezeichneten Gespräch mit der NBC-Sendung „Late Night with Seth Meyers“, das am Dienstag ausgestrahlt werden sollte. Der Beginn des Ramadan wird am Abend des 10. März erwartet.

„Ramadan steht bevor, und es gibt eine Vereinbarung mit den Israelis, während Ramadan die Kampfhandlungen einzustellen und uns zugleich Zeit zu geben, alle Geiseln herauszubekommen“, sagte Biden auf NBC - und sorgte damit kurzzeitig für einen Eindruck, der Deal sei schon in trockenen Tüchern. Es dürfte jedoch lediglich ein Ausdruck großen Optimismus gewesen sein. „Die größeren Hindernisse wurden aus dem Weg geräumt, was die Hamas betrifft, die darauf bestanden hat, dass sich die israelischen Sicherheitskräfte vollständig zu Ende des Krieges zurückziehen“, wird eine Quelle aus Bidens Stab auf CNN zitiert.

Bewegung in den Verhandlungen

Bewegung in die festgefahrenen Fronten zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas gibt es seit vergangenem Freitag, als sich israelische Unterhändler mit Vertretern der USA, Ägyptens und Katars in Paris trafen, um Modalitäten zur Befreiung der nach wie vor im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu besprechen. Die Hamas war an den Gesprächen nicht beteiligt. Die Hamas hat einem Insider zufolge aber einen Entwurf erhalten, der eine 40 Tage dauernde Aussetzung aller militärischen Einsätze vorsieht. Zudem sollen israelische Geiseln gegen in Israel einsitzende palästinensische Gefangene ausgetauscht werden, und zwar im Verhältnis eins zu zehn, sagte ein hochrangiger Insider, der den Gesprächen nahesteht, der Nachrichtenagentur Reuters. Im Rahmen der vorgeschlagenen Waffenruhe würden Krankenhäuser und Bäckereien im Gazastreifen repariert werden und täglich 500 Lastwagen mit Hilfsgütern in das Gebiet fahren, hieß es. 

In Katar sind derzeit zudem Vertreter beider Kriegsparteien anwesend, die jeweils getrennt mit Vermittlern verhandeln. Direkte Gespräche hat es demnach noch nicht gegeben. Gespräche zwischen israelischen und katarischen Vertretern gäben aber Anlass für Optimismus, sagte ein US-Vertreter. Öffentlich haben sich Israel und die Hamas dazu bislang aber nicht geäußert. Inoffiziell war am Montag von einem Hamas-Vertreter zu hören, dass es immer noch „große Lücken“ gebe, die bei den Verhandlungen für eine Feuerpause überbrückt werden müssten.

Die Hamas hat einem Insider zufolge im Rahmen der Gespräche in Paris über eine Waffenruhe einen Entwurf erhalten, der eine 40 Tage dauernde Aussetzung aller militärischen Einsätze vorsieht. Zudem sollen israelische Geiseln gegen in Israel einsitzende palästinensische Gefangene ausgetauscht werden, und zwar im Verhältnis eins zu zehn, sagte ein hochrangiger Insider, der den Gesprächen nahesteht, der Nachrichtenagentur Reuters. Im Rahmen der vorgeschlagenen Waffenruhe würden Krankenhäuser und Bäckereien im Gazastreifen repariert werden und täglich 500 Lastwagen mit Hilfsgütern in das Gebiet fahren, hieß es. 

Hamas solle Forderungen „von einem anderen Planeten“ fallenlassen

Hamas-Anführer Ismail Hanijeh sagte nach einem Treffen mit Katars Emir, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, seine Organisation begrüße Bemühungen, den Krieg zu beenden. Er warf Israel allerdings vor, Fortschritte zu blockieren, während im Gazastreifen weiterhin Menschen sterben. „Wir werden nicht erlauben, dass der Feind die Verhandlungen dazu nutzt, dieses Verbrechen zu überdecken.“ Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, er sei bereit zu einer Vereinbarung. Es sei jetzt Sache der Hamas, ihre Forderungen „von einem anderen Planeten“ fallenzulassen. „Es ist jetzt wirklich ihre Entscheidung“, sagte Netanjahu dem US-Sender Fox News.

Al Thanis Büro erklärte, man sei mit dem Hamas-Chef im Gespräch, um ein „unmittelbares und dauerhaftes Waffenstillstandsabkommen im Gazastreifen“ zu vereinbaren. Israel verfolgt öffentlich allerdings nach wie vor das Ziel, die Hamas in Vergeltung des Terrorangriffs vom 7. Oktober zu vernichten. Die Hamas andererseits lehnt eine Freilassung der Geiseln ab, solange Israel die Kampfhandlungen nicht einstellt. Radikale Palästinenser hatten am 7. Oktober in Israel rund 1200 Menschen massakriert - zumeist Zivilisten - und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Netanjahu: „Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen“

An einen Rückzug aus dem Gazastreifen denkt das israelische Kriegskabinett nicht. „Wir sind vollkommen entschlossen, die Hamas auszulöschen“, sagte der israelische Wirtschaftsminister Nir Barkat aus Netanjahus Likud-Partei der Nachrichtenagentur Reuters bei einer Konferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Seine Präsenz dort zeigte andererseits aber auch, dass Israel weiterhin Kontakte zu arabischen Staaten pflegt, was von militanten Palästinensern scharf kritisiert wird.

Zugleich gerät Israel immer stärker unter Druck seiner Verbündeten, vor allem der USA, im Gazastreifen internationales Recht einzuhalten und die Zivilbevölkerung zu schonen. In dem Gebiet lebten vor der Offensive etwa 2,3 Millionen Menschen. Nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde wurden seit Beginn der israelischen Offensive annähernd 30.000 Menschen getötet und mehr als 70.000 verletzt. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 96 Menschen getötet und 172 verletzt worden, teilte die Behörde am Dienstagmorgen mit. Mittlerweile sind die meisten Menschen vor den Kämpfen in den Süden des Gazastreifens geflohen. Die israelische Armee droht nun aber mit einem Angriff auf die Grenzstadt Rafah. Über den Grenzübergang nach Ägypten wird der Küstenstreifen mit humanitären Gütern notdürftig versorgt.

Netanjahu sagte, ein Angriff auf Rafah sei nach wie vor geplant. Es gebe aber einen Plan, um die Zivilbevölkerung zu evakuieren. Er werde auch dem Druck der USA nicht weichen. „Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen“, sagte Netanjahu. (Reuters/Red.)

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