Morgenglosse

Kurz-Richter hätte Befangenheit prüfen lassen sollen

Richter Michael Radasztics
Richter Michael RadaszticsAPA/APA/Helmut Fohringer
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Richter und Staatsanwälte haben schon größeren Wert darauf gelegt, mögliche Befangenheiten auszuschließen, als jetzt im Verfahren gegen den ehemaligen Kanzler.

Wenn die Justiz zeigen will, dass sie von der Politik unabhängig ist, müsse sie nicht nur jegliche Nähe der handelnden Personen zur Politik vermeiden – sondern schon jeden Anschein einer solchen Nähe. Wie oft hat man das von Spitzenvertretern und -vertreterinnen der Staatsanwälte und Richterinnen schon gehört! „Justice must not only be done: it must also be seen to be done“, fügen die Verfechter der Unabhängigkeit unter Berufung auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gern und völlig richtig hinzu. Bloß im Fall des Kurz-Richters Michael Radasztics ist das Anscheinsthema anscheinend kein so wichtiges. Obwohl sonst immer betont wird, dass es gar keinen Belegs einer politischen Einflussnahme bedürfe, sondern schon die abstrakte Möglichkeit einer solchen etwa durch die Weisungsbefugnis des Justizministeriums gegenüber den Staatsanwaltschaften genüge. Eine neue Weisungsspitze muss her!

Die Anwälte des früheren Bundeskanzlers hatten schon zu Beginn auf ein möglicherweise zu enges Verhältnis des Richters zum ehemaligen Grün-Politiker und selbstdeklarierten Aufdecker Peter Pilz hingewiesen. Klar, aus Verteidigerräson. Aber deshalb nicht zwangsläufig zu Unrecht. Zuletzt ist ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker damit – klar, aus Parteiräson, aber usw. – nochmals an die Öffentlichkeit gegangen, nachdem eine Disziplinarverurteilung von Radasztics aus seiner Zeit als Staatsanwalt publik geworden war. Einer der Vorwürfe: Er habe Pilz im Zuge der Eurofighter-Ermittlungen eine „amtsgeheime“ Information verraten.

Nun lässt sich streiten, ob Radasztics deshalb wirklich befangen war in einem Verfahren gegen einen anderen Ex-Politiker, der allerdings immerhin einer der Lieblingsfeinde des Peter Pilz war. Auch über das Timing kann man diskutieren, mit dem die mittlerweile schon beglichene Disziplinarstrafe just einen Werktag nach der (nicht rechtskräftigen) Verurteilung von Kurz im öffentlich zugänglichen Rechtsinformationssystem aufgetaucht ist (in einer Form von Anonymisierung, die eindeutige Schlüsse auf den Fall zulässt).

Aber jeden Anschein einer Befangenheit zu vermeiden hätte wohl anders ausgesehen. Der Richter für das Kurz-Verfahren wurde nach Zufallsprinzip ausgewählt. Hätte er nicht gut daran getan, von sich aus intern auf seine Vorgeschichte hinzuweisen, um eine mögliche Ausgeschlossenheit vorab prüfen zu lassen?

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