In einer Büroetage in Kiew entstehen in mühsamer Handarbeit Tarnanzüge für Soldaten und Tarnnetze für Militärtechnik. „Wir helfen mit unseren Händen“, sagen die Freiwilligen, mehrheitlich Frauen, die sich als Teil des verteidigungsbereiten „Hinterlandes“ verstehen. Der Abnutzungskrieg im Südosten der Ukraine bedeutet, dass sie ständig neue Bestellungen von der Front erhalten.
Valerij Schulakow hebt den puscheligen Mantel von der Halterung und wirft ihn sich über die Schultern. Endlich ist das Stück fertig! Applaus brandet auf im Raum, eine Frau macht ein Handyfoto. Der stattliche Mann verschwindet unter dem voluminösen Umhang, den er in mehrtägiger Handarbeit gefertigt hat. Weiße, beigefarbene und graue Stoffschnipsel hat Valerij auf einen weißen Netzstoff geknüpft und daneben kurze Bastfäden angeknotet, die wie struppiges Gras aussehen. Wäre Valerij jetzt irgendwo im ukrainischen Osten, wo sich Steppengras mit Schneeresten und Schlamm mischt, würde er vermutlich unsichtbar.
Valerijs Mantel hat genau diese Funktion: Er soll Menschen in der Landschaft verschwinden lassen. Es ist ein Tarnanzug, ein so genannter Ghillie Suit, wie es auf Englisch heißt. Auf Ukrainisch spricht man von einer Kikimora, ein Begriff, der an ein Wesen aus der slawischen Mythologie erinnert.
Bald wird den Mantel ein ukrainischer Scharfschütze oder Späher tragen.