Randerscheinung

Im Jahreszeiten-Jetlag

Florian Asamer
Florian Asamer Carolina Frank
  • Drucken

Ich kann mich an keinen Jänner und Februar mit so viel Licht und blauem Himmel erinnern.

Ich bin mit meinem Jahreszeiten-Zeitgefühl ziemlich durcheinander. Das hat auch mit dem heurigen Wetter zu tun. Ich lebe nun seit 35 Jahren in Wien und Umgebung (das ist übrigens der einzige Vorteil daran, wenn man 53 Jahre alt ist, man kann endlich Sätze wie diesen hinschreiben), aber ich kann mich an keinen Jänner und Februar mit so viel Licht und blauem Himmel erinnern. Bedeckt waren bisher diese Monate überwiegend, nebelig, Sonne war die absolute Ausnahme. Deshalb bin ich auch gerade so vom unspektakulären März-Beginn überrascht, der sich sonst oft wie das Auftauchen nach einer langen Unterwasserstrecke angefühlt hat.

Zum Jetlag-Feeling trägt aber auch bei, dass die Kinder als Lebensmetronom der vergangenen 20 Jahre (siehe oben, das mache ich jetzt einfach so) immer weniger laut ticken. Klar, der Jüngste wird erst 14 Jahre alt und flippt immer noch hin und her zwischen Kind, Jugendlichem, beides gleichzeitig und zurück. Aber das Rund-um-die-Uhr-Kümmerprogramm ist nicht mehr notwendig. Das fühlt sich manchmal überraschend leicht und befreiend an, dann wieder zieht es mir den Lebenssinnstecker. Jedenfalls aber fehlt es an Orientierung über den Jahreskreis hinweg. War früher die Organisation der Wochenenden und Ferien in Hinblick auf Programm ganz wesentlich, ist das nun nicht nur nicht mehr notwendig, sondern kontraproduktiv. Habe ich mir fürs Wochenende etwas überlegt, was die Teilnahme des Jüngsten erfordert, reagiert er meistens mit: „Danke, gute Idee, hab aber leider schon etwas anderes vor.“ Das fühlt sich weniger gut an, als ich gedacht habe, dass es sich anfühlen wird, als ich noch um einzelne Minuten für mich allein kämpfen musste. Dafür fühlt es sich ziemlich gut an, dass also tatsächlich schon März ist. Sehr gut sogar.

(Die Presse Schaufenster, 1.3.2024)

Weiterlesen

>> Mehr Kolumnen auf DiePresse.com/randerscheinung

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.