Leitartikel

Der Raum für echte Frauenpolitik ist da, lassen wir uns nicht ablenken

Der Nationalratssaal im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament, am Mittwoch, 28. Februar 2024, in Wien.
Der Nationalratssaal im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament, am Mittwoch, 28. Februar 2024, in Wien.APA / APA / Max Slovencik
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Den Wunsch nach Gleichstellung zum identitätspolitischen Kampf umdeuten zu wollen, ist ein billiger Versuch. Doch er war ein Stück weit erfolgreich.

Noch wissen wir nicht, wie die Wahl ausgehen wird. Wir wissen nicht, wer das Land regieren wird und wir kennen den Namen der nächsten Frauenministerin nicht. Wir wissen schon gar nicht, welches Medium das erste Interview mit ihr führen wird. Und trotz allem steht die erste Frage an sie bereits fest: „Frau Ministerin, sind Sie Feministin?“ Die Antwort darauf wird lange überlegt und gut vorbereitet sein. Und egal, ob sie „Ja“ oder „Nein“ lauten wird, die Reaktionen werden gleichermaßen begeistert und empört ausfallen.

Warum eigentlich? Warum werden Zuschreibungen wie diese allen Inhalten, Gestaltungsambitionen und vor allem Handlungen vorangestellt?

Weil mit einem „Ja“ bzw. „Nein“ zum Feminismus mittlerweile eine Menge mitttransportiert wird, das von einer seriösen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung wegführt. Diese Dynamik geht von jenen aus, die wollen, dass wir uns mit Debatten über alles Mögliche, von Begrifflichkeiten bis Endungen in Gesetzestexten, aufhalten. Dass hoch emotional darüber gestritten wird und dabei gar nicht auffällt, dass sie, die populistischen Kräfte aller politischen Richtungen und Couleurs, mit ihren vollkommen unterkomplexen Antworten auf die großen gesellschaftlichen Fragestellungen nicht mithalten können. Zu diesem Zweck wird dann praktisch alles in ein völlig unpassendes links-rechts-Korsett gepfercht. Kein Wunder, dass der Begriff Feministin polarisiert, wenn plötzlich gilt: Wer Feministin ist, ist links, steht wahrscheinlich auf der Seite der Klimakleber und ist für eine Vermögenssteuer. Oder: Wer keine Feministin ist, ist rechts, lehnt Ausländer ab und will am liebsten zurück an den Herd. Kommt noch ein bisschen Gender-Debatte hinzu, schwupps, ist die Aufregung perfekt und alle sind mit Themen beschäftigt, die am Ende niemanden weiterbringen. Schon gar nicht die Frauen.

Wie gut dieses Rezept funktioniert hat, war unlängst eindrücklich zu beobachten, als eines der ersten Themen, die aus dem Zukunftsplan des Kanzlers bekannt und breit diskutiert wurden, seine Ablehnung des Genderns war. Für das Wahljahr verheißt das nichts Gutes. Denn die Instrumentalisierung der Debatte hat uns mit Erfolg bereits ein ganzes Stück weit davon weggeholt, worum es eigentlich geht: den Wunsch, dass Männer und Frauen wirtschaftlich, sozial, politisch und persönlich gleichbehandelt und gleichgestellt werden sollen. Ein zutiefst humanistischer Ansatz, eigentlich.

Und ein praktischer. Das Zahlenmaterial, das belegt, welche Vorteile die Gleichstellung der Geschlechter für Gesellschaft, Wirtschaft und Sozialstaat bringt, liegt längst unbestechlich vor uns. Frauen aus der Teilzeit-Falle zu holen und die Kinderbetreuung massiv auszubauen, zahlt sich für alle aus. Es ist wissenschaftlich mittlerweile auch gut untersucht, dass Teams, in denen Männer und Frauen gleichberechtigt vertreten sind, erfolgreicher sind. Das gilt von den Chefetagen bis in die Kinderzimmer. Dringend gilt es auch zu klären, wie endlich effektiv gegen Gewalt in den Familien und gegen Frauen im Speziellen vorgegangen werden kann. Auch das sollte im Interesse aller sein.

Nicht von dummen Überschriften ablenken lassen

Die Umsetzung dieser Ziele ist in einem weitern Schritt womöglich herausfordernd, mühsam und langwierig. Schon allein die Frage, wo angesetzt werden muss – in den Familien? den Schulen? Bei der Bezahlung oder doch der Berufswahl? – und ob dabei der Staat oder Privat vorangehen soll, ist hochkomplex.

Wenn wir aber nicht auf Populisten hereinfallen und uns nicht mit identitätspolitischen Debatten aufhalten lassen, gewinnen wir den Raum, über all das nachzudenken. Wenn das ganze nicht unter der gleichermaßen dummen wie falschen Überschrift „Kampf der Geschlechter“ läuft, ist ein nüchterner, analytischer Blick darauf möglich. Es gibt ja zu alledem gute Vorschläge und kluge Expertinnen, die die Debatte mit ihren Erfahrungen bereichern könnten. Nur werden sie oft weniger gehört als jene destruktiven Kräfte, die den Raum stimmgewaltig. aber mit Null-Inhalten füllen. Der Weltfrauentag kann eine Erinnerung sein: dass das so nicht sein muss.

E-Mails an: elisabeth.hofer@diepresse.com

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