Kommentar

Feministischer Aufschrei am falschen Fleck

America Ferreras Nominierung ist unter dem Aufschrei für Kollegin Robbie und Regisseurin Gerwig untergegangen.
America Ferreras Nominierung ist unter dem Aufschrei für Kollegin Robbie und Regisseurin Gerwig untergegangen. The Chosunilbo JNS/Imazins via Getty Images
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Ja, Hollywood ist eine Männerdomäne. Barbie alleine wird’s nicht richten.

Acht Gewinnchancen verzeichnet der quietschbunte Knüller „Barbie“ bei den Oscars in der Nacht auf Montag, unter anderem als bester Film. Als die Nominierungen Ende Jänner verkündet wurden, hat man aber erst einmal laut aufgeschrien. Wie jetzt, Ken (Ryan Gosling) ist nominiert, Barbie (Margot Robbie) nicht? Da hat jemand die Quintessenz des Film nicht begriffen. Ein antifeministisches Fiasko!

Zugeben, das birgt eine gewisse Ironie. Und ja, Hollywood ist eine Männerdomäne, Frauen sind nach wie vor in vielen Feldern unterrepräsentiert. Die Nominierungslisten solcher Awards genau zu inspizieren und gegebenenfalls anzuprangern – seien sie auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – ist deshalb wichtig und richtig. Nur scheint es, als hätten viele vor lauter Tüll und Tränen den Durchblick verloren.

„Barbie“ ist nicht gleich Feminismus. Auch dann nicht, wenn Greta Gerwig ihn fulminant inszeniert. Das Fehlen zweier erfolgreicher, weißer Frauen in zwei einzelnen Kategorien (Beste Regie, Beste Hauptdarstellerin) zeugt nicht von einem verlorenen feministischen Kampf, zumal beide – Gerwig als Drehbuchautorin und Robbie als Produzentin – ohnehin nominiert sind. Im Übrigen wurde Gerwig 2018 schon für ihre Regie von „Lady Bird“ für einen Oscar nominiert, ein von Kritikerinnen für seinen unverblümten Feminismus gelobter Film.

Die Academy hat heuer auch „Barbie“-Kollegin America Ferrera gewürdigt, mit einer Nominierung als beste Nebendarstellerin. Eine der wenigen seit 1927 Nominierten mit hispanischen Wurzeln. Das dürfte vielen entgangen sein. Weil geschrien wurde, ohne zu schauen.

Gar die Liste der besten Hauptdarstellerinnen ist 2024, auch ohne Margot Robbie, eine recht erfreuliche: Lily Gladstone („Killers of the Flower Moon“) ist die gerade einmal vierte indigene Nominierte in dieser Kategorie, Annette Bening („Nyad“) eine der wenigen Frauen, die mit Mitte sechzig die Protagonistin gibt, anstatt eine jüngere (und Hollywood-konformere) Variante ihrer selbst nur zu ergänzen. Und mit Emma Stone („Poor Things“) wird auch die Hauptdarstellerin einer Geschichte über die Freiheit jenseits der Männerherrschaft – wie „Barbie“ eine ist – gewürdigt.

Zehn statt acht Nominierungen für den Film über die Puppe hätten Hollywood auch nicht viel gerader gerückt. Eher über die eigentlichen Umstände hinweggetäuscht – und andere auch wichtige Frauen wären dabei wiederum übergangen worden. Es kann und soll nämlich nicht nur eine, oder zwei, geben.

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