Barbie ist nicht blöd: Feministische Erkenntnis 2024? Gratulation.
Plädoyer zum Weltfrauentag

Rechte und Muslime verbindet ein rückschrittliches Frauenbild: Feminismus ist also nötig!

Der Begriff Feminismus ist zur Kampfansage geworden, die uns nicht weiterbringt. Von den Linken zerfranst, vom rechten und muslimischen Mainstream verhöhnt.

Es ist einem schon leichter gefallen, in größerer Runde mit dem Brustton der Überzeugung zu sagen: „Ich bin Feministin.“ Genauer gesagt: im bürgerlichen Milieu, im privilegierten Österreich, im reifen Jahr 2024. Haben wir denn keine anderen Sorgen, als Gender-Sternchen und Glottisschlag? Die Femizide, das ist doch ein Ausländerproblem! #MeToo? Ich bin auch nicht traumatisiert, weil mir vor 20 Jahren jemand die Hand aufs Knie gelegt hat. Findest du es denn richtig, dass Judith Butler den Terror der Hamas als „bewaffneten Widerstand“ rechtfertigt?

Fällt das Wort Feminismus, wird man in Diskussionen über queere Theorien, sprachliche Zwänge und Dekolonialisierungssolidaritäten verwickelt. Mit dem historischen Kampf der Frauen um die wirtschaftliche Gleichberechtigung ihrer Bedürfnisse und ihrer Arbeit hat das nur noch am Rande zu tun. Sofort wird polarisiert. Derart polarisiert, dass ein vernünftiges Gespräch über das, was es braucht, nicht mehr zu führen ist.

Natürlich, all diese höhnischen Fragen und zum Teil unangenehmen Wahrheiten, die hinter den hier flapsig vorgetragenen Beispielen stecken, hängen mit Gerechtigkeit zusammen. Aber nicht ursächlich mit der für Frauen. Der linke Feminismus, der sich anderen gesellschaftlichen Problemen und Gruppen immer mehr geöffnet hat, schwächt letztlich die Kraft, die ein breiter Feminismus, und zwar einer von Frauen und von Männern, jetzt bitter nötig hätte. Nicht einmal mehr, um all seine gesellschaftspolitischen Ziele, die mehr Frieden und weniger Armut bedingen, zu erreichen. Vielmehr, um das, was der Feminismus bisher überhaupt erreicht hat, zu erhalten.

Warum dieser Pessimismus? Erstens rücken Europa und große Teile der Welt immer weiter nach rechts. Zweitens wird die muslimische Migration nicht aufhören. Und wenn den ideologischen Mainstream dieser beiden Bewegungen etwas verbindet, dann ist es (nicht nur, aber vor allem) ein rückschrittliches bzw. sogar archaisches Rollenverständnis der Frau.

Das macht nicht nur Frauen Angst

Dieses frappierende Einverständnis ausgerechnet dieser beiden Strömungen kann Angst machen. Dazu muss man nicht einmal Michel Houellebecqs „Unterwerfungen“ gelesen haben. Dazu muss man, wie gesagt, nicht einmal eine Frau sein. Schneller, als wir uns das vorstellen, werden wir wieder über das Recht auf Abtreibung diskutieren. Über die Notwendigkeit, Vollzeit arbeiten gehen zu können. Über Frauenhäuser und Männerbildung, also Gewaltprävention. Im bürgerlichen Milieu, im privilegierten Österreich – im Jahr 2028?

»Den ideologischen Mainstream der Rechten und der Muslime verbindet ein rückschrittliches Frauenbild. «

Schauen wir unsere Kinder an. Über ihre Schulter, auf ihre Smartphones. Es ist kein Zufall, dass dort grell erkenntlich wird, was sich abzeichnet: Geschlechterstereotype werden dort in einer Plattheit und einer immersiven Intensität propagiert wie noch nie in der Geschichte. Influencer „toxischer Männlichkeit“, wie man das so hübsch gelabelt wegwischt, impfen Buben eine Frauenverachtung ein, mit der wir nicht mehr gerechnet haben. Die Mädchen dagegen werden derart manipuliert, dass sie als Jugendliche schon Panik haben, erwachsen zu werden – erste Falten zu bekommen, später als 20 Uhr schlafen zu gehen, eine perverse Jugendkultur.

Was machen wir Älteren? Wir gehen ins Kino und lassen uns mit „feministischen“ Hollywood-Filmen trösten: „Barbie“ und „Poor Things“. Beides ästhetisch genial verpackte Geschichten weiblicher Emanzipa­tion, wie man sie sich in den Siebzigerjahren erzählt hat: Auch schöne Frauen sind nicht blöd. Und: Sexuelle Befreiung bringt Unabhängigkeit. Das scheinen die Erkenntnisse, auf die sich ein Durchschnitt anscheinend gerade noch einigen kann. Noch.

Appetitlich servierter Rückschritt

Da ist er also schon, der Backlash. Mehr oder weniger appetitlich serviert von der Unterhaltungsindustrie. Wir haben keine Zeit mehr, den Feminismus und seine grundlegenden Errungenschaften in zermürbenden Diskussionen über seine radikalen Ränder zu opfern. Wir müssen wieder lernen, über ihn ins Gespräch zu kommen, ohne dass beide Seiten die Augen rollen. Ohne mit verschränkten Händen einander gegenüberzusitzen wie Kleinkinder und den Dialog zu verweigern. Der Feminismus gehört in der Mitte der Gesellschaft verankert. Als pragmatische Notwendigkeit für eine friedlichere, freiere, nachhaltigere Zukunft.

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