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Katharina Mückstein: Ein „Tatort“-Debüt mit Katerstimmung

Wer ist hier der Mörder? In „Dein Verlust“ gerät „Tatort“-Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, mi.) unter Verdacht.
Wer ist hier der Mörder? In „Dein Verlust“ gerät „Tatort“-Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, mi.) unter Verdacht.ORF / Petro Domenigg
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Filmemacherin Katharina Mückstein legt mit „Dein Verlust“ ihren ersten „Tatort“ vor: Ein heruntergekühlter Krimi im Neonlicht, der seinen Protagonisten gerade deshalb sehr nah ist.

Jetzt ist er also 60, der Moritz Eisner. Irgendwie noch voll im Dienst, aber doch schon ein wenig angeschlagen. Zumindest in diesem Fall. Denn in „Tatort: Dein Verlust“ (10.3., ORF 2) scheint der Kommissar nicht ganz auf der Höhe zu sein. Und das hat nicht nur mit der rauschenden Party zu tun, bei der er sich mehr als ein Glas Schampus zu viel genehmigt hat. „Ich vertrag überhaupt nichts mehr“, mault er dann, zusammengesunken am Sofa. „Ich bin blunzenfett.“ Dafür ist er endlich einmal locker. Tanzt ausgelassen. Saugt Helium aus einem Ballon und spricht mit Mäusestimme. Und dann, ja dann kommt ihm kurz vor dem Kuss für Kollegin Bibi Fellner etwas dazwischen. Am nächsten Morgen ist das wohlige Knistern zwischen den beiden schon wieder verflogen. Zumindest bei ihm. Denn er kann sich an gar nichts mehr erinnern. Nicht einmal an die Torte von Bibi, die er so gelobt hatte. Sie ist sichtlich enttäuscht.

Die Katerstimmung wird den ganzen Film lang anhalten. Dafür sorgt der Plot – denn plötzlich steht Eisner selbst unter Verdacht. Und Regisseurin Katharina Mückstein, die das (sagen wir einmal: doch etwas konstruierte) Geschehen in bläulich-blasse Farben taucht und so in vielen Szenen für eine unterkühlte Atmosphäre sorgt. Selten wird so klug mit Licht gespielt, wie in diesem Krimi: Die Neonlampen an den Nachtklubs und in verlassenen U-Bahn-Passagen wecken Anmutungen zwischen Retroschick und Raumschiff. Selbst ein Krankenwagen wird hier zu einem Ort, dessen blendendes Inneres verheißungsvoll schimmert – als wäre das strahlende Licht des Jenseits ganz nah.

Inszeniert wie ein Kinofilm

Mückstein, die immer wieder auf Übergriffe und (Macht-)Missbrauch in der Filmszene hingewiesen und mit ihrem Film „Feminism WTF“ für Aufsehen gesorgt hat, geht an ihr „Tatort“-Debüt heran, als wäre es ein Kinofilm. Noch nie hat man Harald Krassnitzer (Eisner) und Adele Neuhauser (Fellner) in so herzerweichenden Close-Ups erlebt. Zwei alternde Gesichter, die beredt von tiefer innerer Zuneigung und daraus resultierender Verzweiflung erzählen. Krassnitzers Panikattacke in Großaufnahme ist Schauspielerei vom Feinsten. Auch der Sound ist sorgfältig gewählt: Die Musik von Karwan Marouf untermalt schleifend, rasselnd, hechelnd und unheilschwanger dieses Drama, in dem Kommissar Eisner immer tiefer in der Bredouille und seinen Selbstzweifeln versinkt. Am Ende das Geständnis – fokussiert auf ein in Blautöne heruntergekühltes Close-Up – klingt fast wie ein Rap. Und ja: Gratulation an den Location Scout, der einige morbid-faszinierenden Ecken Wiens aufgespürt hat.

Bei aller Dramatik: Die Herzensangelegenheiten sind Mückstein ebenso wichtig. Wenn Moritz und Bibi gemeinsam versuchen, ein Überwachungsvideo zu entschlüsseln, dann leiht sie ihm ihre Lesebrille wie es alte Ehepaare tun, wenn einer von beiden die Speisekarte im Restaurant nicht lesen kann. Das ist einer der netten Regieeinfälle, die diesen Film auch wieder so charmant und liebenswert machen. Der Schmäh kommt auch nicht zu kurz: Als sich herausstellt, dass Bibi einen der zwielichtigen Klubbesitzer von früher kennt, fragt Moritz sie verdutzt, woher: „Aus dem Yogakurs“, antwortet sie ungerührt. Die beiden gehören einfach zusammen. So oder so.

„Tatort: Dein Verlust“, Sonntag 10. März, ORF 2

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