Gewalt an Frauen

230 Millionen Mädchen und Frauen Opfer von Genitalverstümmelung

Fortschritte gibt es etwa in Kenia: Im Bild ein Aufklärungsprojekt in Kisii. In Kenia ist FGM seit 2011 verboten.
Fortschritte gibt es etwa in Kenia: Im Bild ein Aufklärungsprojekt in Kisii. In Kenia ist FGM seit 2011 verboten. APA / AFP / Simon Maina
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Zum Weltfrauentag legt Unicef den ersten Bericht seit 2016 zur weiblichen Genitalverstümmelung vor. Die Fortschritte sind langsam.

Laut einem neuen Unicef-Bericht haben über 230 Millionen heute lebende Mädchen und Frauen weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) erlitten. Die ersten globalen Schätzungen seit 2016 zeigten einen Anstieg der Gesamtzahl der Überlebenden um 15 Prozent (30 Millionen Mädchen und Frauen) im Vergleich zu den vor acht Jahren veröffentlichten Daten, hieß es am Freitag in einer Aussendung des Uno-Kinderhilfswerks.

Die am heutigen Weltfrauentag veröffentlichten Schätzungen zeigen, dass die Fortschritte bei der Beendigung von weiblicher Genitalverstümmelung nach wie vor langsam sind und hinter dem Bevölkerungswachstum zurückbleiben - insbesondere in den Regionen, in denen die Praxis am häufigsten vorkommt. Um weiblicher Genitalverstümmelung bis 2030 ein Ende zu setzen, wie es in den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen angestrebt wird, müsste der weltweite Rückgang 27-mal so schnell sein, so der Bericht.

„Weibliche Genitalverstümmelung schadet dem Körper von Mädchen, trübt ihre Zukunftsaussichten und gefährdet ihr Leben“, sagte demnach Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell in New York. „Wir sehen auch einen besorgniserregenden Trend, dass mehr Mädchen in jüngerem Alter dieser Praxis ausgesetzt sind, viele sogar schon vor ihrem fünften Geburtstag. Dadurch wird das Zeitfenster zum Eingreifen kürzer. Wir müssen die Anstrengungen zur Beendigung dieser schädlichen Praxis verstärken.“

Betroffene hauptsächlich in Afrika, Asien und im Nahen Osten

Der neue Unicef-Bericht „Female Genital Mutilation: A Global Concern“ ist eine Zusammenstellung der aktuell verfügbaren Statistiken zu weiblicher Genitalverstümmelung - einer Praxis, die die Menschenrechte von Mädchen und Frauen verletzt und dauerhafte physische, psychische und soziale Auswirkungen haben kann. Die meisten betroffenen Mädchen und Frauen (144 Millionen) leben in afrikanischen Ländern, gefolgt von 80 Millionen in Asien und sechs Millionen im Nahen Osten. Auch in kleinen praktizierenden Gemeinschaften und Einwanderungsländern in anderen Teilen der Welt treten Fälle auf.

Die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung breitet sich global nicht weiter aus, analysierte Unicef. Die Analyse zeige jedoch, dass die Zahl der Mädchen, die in FGM praktizierenden Ländern geboren werden, im Vergleich zum Rest der Welt rasant zunimmt. Dadurch ist eine größere Bevölkerungsgruppe gefährdet und muss durch Präventionsbemühungen erreicht werden.

Die Analyse weise auch darauf hin, dass vier von zehn FGM-Überlebenden in instabilen und von Konflikten betroffenen Gebieten leben, in denen das Bevölkerungswachstum ebenfalls schnell verläuft, hieß es. „Diese Kombination kann Bildungs- und Gesundheitsdienste belasten, Prioritäten bei der Finanzierung verschieben und dazu führen, dass Programme zur Förderung der Geschlechtergleichheit unterbrochen werden. Länder wie Somalia und der Sudan sind mit einer Vielzahl von dringenden Problemen konfrontiert, während Konflikte und Bevölkerungswachstum die Herausforderungen noch erhöhen. In Äthiopien sind kontinuierliche Fortschritte zu verzeichnen, aber unvorhersehbare, massive Wetterereignisse (sogenannte „climate shocks“), Krankheiten und Ernährungsunsicherheit erschweren die zuverlässige Umsetzung von Programmen für Mädchen.

Einstellung zu FGM ändert sich

Trotz der Herausforderungen zeigen positive Beispiele in einigen Ländern, dass Fortschritte möglich sind und teilweise an Fahrt gewinnen. Die Hälfte der in den letzten 30 Jahren erzielten Fortschritte wurde erst innerhalb des letzten Jahrzehnts erreicht. In Kenia ist beispielsweise die Verbreitung von weiblicher Genitalverstümmelung von „mäßig“ auf „niedrig“ zurückgegangen; in Sierra Leone gibt es einen Rückgang von „hoher“ auf „mäßig hohe“ Prävalenz. Auch in Ägypten, wo vor 30 Jahren noch nahezu jedes Mädchen einer Genitalverstümmelung unterzogen wurde, beginnt die Praxis zurückzugehen.

Außerdem ändert sich die Einstellung der Menschen zu FGM. Dem Bericht zufolge sind rund 400 Millionen in praktizierenden Ländern in Afrika und im Nahen Osten - oder zwei Drittel der Bevölkerung - diese Praxis.

Unicef forderte Staaten und Gemeinschaften auf, ihre bisherigen Anstrengungen zu verdoppeln, um Geschlechterdiskriminierung und -ungleichheit zu beenden und dringend in Dienstleistungen für Mädchen zu investieren, die ihre Selbstbestimmung fördern. Weiters wird gefordert, den Rechten von Mädchen in Gesetzen und Politik Vorrang einzuräumen und die Verbreitung der Praxis anhand hochwertiger Daten besser zu erfassen.

Weltweite Krisen machen Fortschritt bei der Gleichstellung zunichte

Auch die UN-Frauenorganisation legt zum internationalen Weltfrauentag entsprechende Zahlen vor. Weltweite Fortschritte bei der Gleichstellung von Frauen und Männern sind durch eine ansteigende Zahl von Kriegen und Konflikten bedroht. „Vom Nahen Osten bis nach Haiti, Sudan, Myanmar, der Ukraine, Afghanistan und anderswo zahlen Frauen den höchsten Preis für Konflikte, die nicht von ihnen verursacht wurden“, teilte die UN-Frauenorganisation (UN Women) anlässlich des internationalen Weltfrauentages an diesem Freitag mit.

Die Zahl der Frauen, die in Konfliktgebieten leben, habe sich seit 2017 verdoppelt - mit momentan mehr als 614 Millionen. In dieser Umgebung sei es auch knapp acht Mal wahrscheinlicher, dass Frauen in extremer Armut lebten. Weltweit befinde sich jede zehnte Frau - insgesamt etwa 400 Millionen - auf der untersten Einkommensstufe. Die Weltbank definiert diese als 2,15 Dollar pro Tag und weniger. (APA/red)

 

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