Alltag im Kreißsaal

Serie „Push“: Ein ehrlicher Blick auf das „Wunder“ Geburt

Sie sind stets an der Belastungsgrenze und müssen zugleich professionell und empathisch bleiben: „Push“ erzählt von den Hebammen einer Berliner Geburtenstation.
Sie sind stets an der Belastungsgrenze und müssen zugleich professionell und empathisch bleiben: „Push“ erzählt von den Hebammen einer Berliner Geburtenstation. ZDF/Richard Kranzin
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Die ZDF-Serie „Push“ – eine feinfühlige Krankenhaus-Edelsoap über den Alltag dreier Hebammen – zeigt, was in Film und Serie immer noch ein Tabu ist: realistische Geburten.

Die Fruchtblase platzt immer zum falschen Zeitpunkt. Im Restaurant, im Meeting mit dem Aufsichtsrat, auf der Konzertbühne ergießt sich plötzlich ein See unter dem Minikleid. Hoppla! Zum Glück steht ein Taxi stets bereit. Im Krankenhaus angekommen, geht es schnell: Ein Leintuch über den prallen Bauch gespannt, schreit die werdende Mutter ein paar Mal kurz auf, drückt die Hand des nervösen Vaters, während sich eine halbe Abteilung an Ärzten und Hebammen über das Bett beugt. „Pressen!“ – schwupps, schon wird der Frau ein ausgebackenes, blank geputztes Baby in den Arm gelegt, wo sie dann, endlich, mit dezent verschmiertem Make-up, selig lächeln und eine kleine Träne verdrücken darf.

Es mag übertrieben klingen, aber so oder so ähnlich wurden lange Zeit – und werden mitunter immer noch – Geburten in Film und Serie dargestellt. Seltsam eigentlich: Gerade diese Momente des Ausnahmezustands, in denen menschliche Emotionen in ungeahnter Intensität aufeinandertreffen und ineinander übergehen können, reduzierten Filmemacher auf einen simplen, nach immergleichem Schema ablaufenden Akt. Da bietet die Natur großes Drama – und die Kunst macht daraus schnöde Routine.

Eine neue Serie bietet das krasse Gegenprogramm: „Push“, zu sehen in der ZDF-Mediathek (und sonntags auch im linearen Hauptabendprogramm von ZDF neo), blickt mit einer Mischung aus Realismus und progressivem Aufklärungswillen auf das Thema Geburt in all ihren stillen und lauten, hektischen, aggressiven und sanften Ausformungen – und nimmt dafür die Perspektive von Hebammen in einer Berliner Geburtenstation ein. Für sie sind Geburten Routine – und „Push“ findet genau darin das Drama.

Hausgeburt, Frühgeburt, Fehlgeburt: „Push“ lässt nichts aus

Im Zentrum stehen drei Generationen: Die erfahrene Anna (Anna Schudt), die sich privat mit einer Trennung herumschlägt und mit einer Familie, die ihre ständige, wohl auch berufsbedingt angelernte Aufopferungsroutine für selbstverständlich hält. Die einfühlsame Nalan (gespielt von der österreichischen Schauspielerin Mariam Hage), die selbst schwanger werden möchte. Und die Studentin Greta (Lydia Lehmann), die in der ersten Folge ihren ersten Tag als Hebammenpraktikantin hat, und die mit einer ehrlichen, freudigen Faszination auf ihre künftige Aufgabe blickt: Ist das nicht etwas Großartiges, so eine Geburt? Dieser Moment, in der ein neuer Mensch ein neues Leben beginnt?

Ist es, zeigt die Serie, ohne die dreckigen, unschönen und unglücklichen Momente auszusparen. Die Gebärenden kommen und gehen, die Hebammen bleiben, und bei ihnen die Geschichten unterschiedlicher Geburten. Es beginnt in der ersten Folge mit einer Frau (gespielt von Stefanie Reinsperger), die 20 Stunden lang mit erstaunlicher Gelassenheit mit den Wehen kämpft – bis am Ende doch ein Kaiserschnitt nötig wird. Fruchtwasserdiskussionen, Beckenendlage, Hausgeburt, Fehlgeburt, Frühgeburt, kontrollsüchtige Väter, indifferente Mütter, Hebammen-Ärztinnen-Konflikte, Gerichtsverfahren – thematisch lässt „Push“ wenig aus, während die privaten Freuden und Dramen der Protagonistinnen einen Handlungsbogen bieten, der die sechs Folgen nicht nur zu einem filmischen Geburtsvorbereitungskurs macht, sondern auch zu einer Art feinfühliger Krankenhaus-Edelsoap.

Echte Kaiserschnitt-Szene

Und während erfrischend scham- und tabulos der Mythos vom „Wunder“ Geburt zerlegt wird, zeigt Serienmacherin (und Gynäkologentochter) Luisa Hardenberg – die sich eine Hebamme als Beraterin an Bord und auch ans Set holte – auch die Momente der Heiterkeit und Gelassenheit. „Hat hier jemand eine PDA bestellt?“, rollt die Anästhesistin heiter ihr Requisitenwagerl in den Kreißsaal (PDA steht für Periduralanästhesie, eine Form der Betäubung). „Ich muss nur noch meine Räucherstäbchen finden“, sagt Hebamme Nalan vor einer Runde Schwangerer, die die Augen aufreißen – Scherz! Doch auch intime Momente fängt „Push“ ein, mit einem unüblichen Willen zur Authentizität, wozu auch dokumentarische Elemente dienen: Zu sehen ist etwa eine Aufnahme eines echten Kaiserschnitts.

Zwischendurch wirkt „Push“ allzu didaktisch – und so mancher Dialog eher dem Bildungseifer der Serienmacher geschuldet als einer echten menschlichen Konversation entsprungen: „Der Spagat zwischen der bestmöglichen Behandlung und wirtschaftlichem Druck, der kann einen wahnsinnig machen“, sagt die Chefärztin da etwa. Die tägliche Belastung, denen die Hebammen ausgesetzt sind – und gegen die literweise Filterkaffee nicht immer hilft – wird aber auch so spürbar. Aufklärungsarbeit leistet „Push“ auf zweierlei Art: was Geburten angeht, und was die Arbeitsbedingungen jener betrifft, die sie begleiten.

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