Spitäler

Lorenz Böhler: Streikdrohung bleibt nach Krisensitzung vorerst aufrecht

Schon am 6. März protestierte die Belegschaft des Lorenz Böhler gegen die Pläne der AUVA.
Schon am 6. März protestierte die Belegschaft des Lorenz Böhler gegen die Pläne der AUVA. APA / APA / Helmut Fohringer
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Am späten Montagnachmittag wurde verhandelt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Die Zeichen standen am Abend zwar auf Versöhnung, einige Fragen sind aber noch offen.

Geht es nach der Generaldirektion der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), ist die Vorgehensweise hinsichtlich der beinahe kompletten Schließung und Sanierung des Traumazentrums Wien-Brigittenau (ehemals Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler) geklärt.

Die Belegschaft aber stemmt sich weiterhin dagegen und drohte bis zuletzt mit einem Warnstreik am Mittwoch, 13. März. Auf den Warnstreik soll ein „dauerhafter Streik“ folgen – so lang, bis drei Bedingungen erfüllt werden. Deswegen fand am Montagnachmittag ein knapp dreistündiges Treffen zwischen dem Betriebsrat und der Generaldirektion der AUVA statt.

Die drei Bedingungen

Wie „Die Presse“ am späten Abend erfuhr, kam die AUVA-Generaldirektion dem Betriebsrat weitgehend entgegen – bei allen drei Bedingungen. Diese beinhalten eine rechtlich verbindliche Vereinbarung zur Absicherung der sozialen und arbeitsrechtlichen Ansprüche des Personals, einen exakten Zeitplan, wann das Lorenz Böhler wieder eröffnet wird und den Regelbetrieb aufnimmt, und die Vorlage aller Unterlagen und Gutachten, auf deren Basis die AUVA ihre jüngsten Entscheidungen getroffen hat. Bei letzterem Punkt geht es um die Brandschutzbegutachtung eines Sachverständigen, aus der hervorgeht, dass eine sofortige Schließung und Sanierung des Gebäudes unumgänglich ist.

Eine Expertenmeinung, die die Belegschaft anzweifelt. Eine Sanierung bei laufendem Betrieb sei sehr wohl möglich, würde nur länger dauern – das gehe aus bisherigen Aussagen desselben Sachverständigen und auch aus anderen, zuvor durchgeführten Begutachtungen hervor. Dass das Lorenz Böhler bezüglich Brandschutz Nachholbedarf hat, ist im Übrigen seit Jahren bekannt. Erforderliche Maßnahmen sind aber der Belegschaft zufolge fahrlässig oder absichtlich ausgeblieben.

Jedenfalls hat die Generaldirektion „Presse“-Informationen zufolge all ihre Unterlagen ausgehändigt bzw. die Aushändigung bis Mittwoch zugesagt. Diese sollen nun vom Betriebsrat bzw. der Belegschaft inspiziert werden, weswegen dazu am Montagabend noch nicht viel gesagt werden konnte. Die erste Forderung, also eine Art Jobgarantie mit jeder Menge Goodies wie etwa Zusagen für Aus- und Fortbildungen, wurde schon vor dem Montag weitgehend erfüllt.

Streitpunkt Containerspital

Der größte Streitpunkt ist und bleibt die zweite Forderung. Die Belegschaft ist nämlich davon überzeugt, dass ein Containerspital, das laut AUVA ab 2025 auf dem künftigen Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahngelände als Übergangslösung dienen soll, schon innerhalb von zwölf Wochen errichtet werden könnte. Ein Angebot eines Anbieters, das der „Presse“ vorliegt, wurde auch schon eingeholt. Eine zweite Variante mit Containern direkt vor dem Spital, die lediglich als Ersatz für Pflegestationen dienen, sodass die Infrastruktur des Spitals weiterhin genutzt wird, würde sogar nur zwei bis drei Wochen dauern. Somit könnte das Personal also am selben Standort weiterarbeiten und müsste nicht vorübergehend – auf Anordnung der AUVA – ins Traumazentrum Meidling und ins AKH ausweichen.

Was im Übrigen in dieser kurzen Zeit gar nicht möglich sei, weil in Meidling und im AKH mit einer anderen medizinischen Infrastruktur gearbeitet werde, mit der sich das Personal erst vertraut machen müsse. Nicht zuletzt wird darauf hingewiesen, dass es mit den Eigentümern des Grundstücks auf dem Nordwestbahngelände – ÖBB und Stadt Wien – noch gar keine Einigung gibt. Auch in diesem Punkt hat die AUVA dem Betriebsrat den Zugang zu sämtlichen Entscheidungsgrundlagen und die Vorlage eines exakten Zeitplans zugesagt.

Die Belegschaft soll nun informiert werden und die Pläne auf ihre Nachvollziehbarkeit überprüfen. Unter diesen Umständen ist der angedrohte Warnstreik am Mittwoch zwar nicht ganz vom Tisch, aber eher unwahrscheinlich. Die generelle Streikdrohung aber – sollte die AUVA ihren Worten keine Taten folgen lassen – bleibt aufrecht, wie Mitglieder des Betriebsrats am Montagabend klarstellten.

Massives Misstrauen

Hintergrund all dieser Forderungen ist das offen ausgesprochene Misstrauen von Teilen der Belegschaft gegenüber der AUVA-Generaldirektion. Diese beabsichtige insgeheim, den Standort des Lorenz Böhler endgültig aufzulösen, um dort andere Immobilienprojekte voranzutreiben – ein Vorhaben, das seitens einiger Personen in der Wiener Wirtschaftskammer forciert werde, die wiederum eigene, monetäre Interessen verfolgten. Vorwürfe, die von der AUVA zurückgewiesen werden. Das einzige Motiv für die – bis Ende März umzusetzenden – Umsiedlungspläne sei die Tatsache, dass das Gebäude den Brandschutzvorgaben nicht mehr entspreche und „Gefahr im Verzug“ sei. 2030 solle dann am bisherigen Standort der Betrieb wieder aufgenommen werden. Und: Der Standort Lorenz Böhler bleibe weiter eingeschränkt in Betrieb. Die Erstversorgungsambulanz und auch Nachsorgebereiche werde es dort weiterhin geben.

Lediglich stationär wird niemand mehr aufgenommen. Die rund 2500 Akutoperationen pro Jahr sollen im Traumazentrum Meidling und im AKH durchgeführt werden – vom Lorenz-Böhler-Personal. Ebenso wie nicht akute, planbare Operationen wie etwa nach einem Kreuzbandriss, für die neue Termine vergeben werden sollen, wiederum in den beiden genannten Häusern.

Arbeits- und Freizeitunfälle

Das Lorenz Böhler, in dem jährlich rund 65.000 Patienten behandelt werden, sowie das Traumazentrum Meidling sind die beiden Standorte der AUVA in Wien. Die AUVA wird mit Beiträgen der Arbeitgeber (1,1 Prozent der Lohnsumme) finanziert und wurde gegründet, damit Arbeitnehmer nach Arbeitsunfällen umfassend versorgt werden – Reha, eine allfällige Rente bei Arbeitsunfähigkeit und Haftungsansprüche inklusive. Später kam auch Prävention hinzu. Bis dahin hafteten nämlich die Arbeitgeber für anfallende Kosten nach Arbeitsunfällen – bis hin zu Rentenansprüchen, was kleinere Unternehmen, etwa eine Tischlerei, rasch in den Ruin treiben konnte.

Behandelt werden in AUVA-Spitälern aber dennoch nicht nur Arbeits-, sondern auch Freizeitunfälle. Letztere machen sogar die Mehrheit der Behandlungen aus. Dafür zahlt die Sozialversicherung, also etwa die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), einen Pauschalbeitrag pro Patient an die AUVA – es gibt zwei Pauschalbeträge, einen für stationäre und einen für ambulante Behandlungen. Die Sozialversicherung wird bekanntlich von Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert.

Umgekehrt zahlt die AUVA einen jährlichen Fixbetrag (derzeit 140 Millionen Euro) an die Sozialversicherung. Denn natürlich werden auch in Gemeindespitälern Arbeitsunfälle behandelt. Dieser Fixbetrag wird alle paar Jahre adaptiert. Eine Vereinbarung, auf die sich die Verantwortlichen vor Jahrzehnten geeinigt haben.

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