Die Ich-Pleite

Nicht nur das Patriarchat behandelt Frauen ungerecht

Carolina Frank
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Man nennt es „Gender-Pain-Gap“, und es könnte der Beweis sein, dass Gott doch ein Mann ist.

Freitag war Weltfrauentag. Ob das ein Grund zum Feiern war, hängt davon ab, ob man ein Glas-halb-voll- oder Glas-halbleer-Mensch ist. Das war sicher schon so, als 1921 der 8. März eingeführt wurde. Glas-halb-voll-mäßig hatten Frauen gerade das Wahlrecht erstritten, Glas-halb-leer-gesehen wuschen sie immer noch die dreckigen Windeln und stinkenden Socken. Aber die Glas-halb-voll-Frauen haben sicher gesagt: In 30, 40 Jahren haben wir überall Gleichberechtigung. Halbe-halbe im Parlament, an der Werkbank und am Wickeltisch. Dass wir 103 Jahre später immer noch am 14. Februar den Equal Pay Day haben, sprich: sechs Wochen „gratis“ arbeiten, ist auch kein Grund zum Feiern. Kann schon sein, dass so manche Glas-halb-leer-Seherin ihrem „Valentine“ an diesem Tag den Blumenstrauß um die Ohren gehaut hat. Aber nicht nur das Patriarchat behandelt die Frauen ungerecht.

Auch die Natur. Zumindest wenn es um Schmerzen geht. Da hat sie uns nämlich mit einem schlechteren Nervenkostüm ausgestattet als die Männer. Man nennt es „Gender-Pain-Gap“, und es könnte der Beweis sein, dass Gott doch ein Mann ist. Dass der Mann Gott ist oder es zumindest glaubt, sieht man wiederum daran, dass manche Ärzte heute noch Frauen Psychotherapie verordnen, wenn sie Endometriose haben. Und bekommen wir doch Schmerzmittel, sind sie nicht auf unser „komplexes Hormonsystem“ abgestimmt. Ja nach Monatszyklus brauchen wir einmal mehr, einmal weniger davon. Wie viel genau, weiß man nicht, weil viele Pharmaunternehmen Schmerzmittel nur an männlichen Probanden testen. Das spart Kosten und Unannehmlichkeiten. Uff, jetzt habe ich Kopfschmerzen. Ich hole mir eine Tablette und ein Glas Wasser. Aber ich fürchte, es ist halb leer.

 (Die Presse Schaufenster, 8.3.2023)

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