Nuklearenergie

Atomare Exit-Strategie auf dem Prüfstand

Atomindustrie hofft auf Thorium als Uran-Ersatz, Experten sind allerdings skeptisch
Atomindustrie hofft auf Thorium als Uran-Ersatz, Experten sind allerdings skeptischAPA/dpa/Armin Weigel
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Die Atomindustrie setzt unter anderem auf Thorium – als Ersatz für Uran. Eine Studie stellt diesbezügliche Bestrebungen auf den Prüfstand und bleibt skeptisch.

Nachdem die EU mit dem Argument der Klimakrise bewusst auch auf Atomkraft setzt und ihr durch die Taxonomie-Verordnung Zugang zu günstigeren Krediten gibt, hat das „Forum Wissenschaft und Umwelt“ (FWU) die Strategien der Atomindustrie unter die Lupe genommen. Dabei ist den Wissenschaftlern ins Auge gestochen, dass in der jüngsten Vergangenheit verstärkt auf Thorium-basierte Reaktor-Konzepte gesetzt wird. Thorium ist ein chemisches Element und kann statt Uran eingesetzt werden. Das FWU bezeichnet diese Technologie allerdings als „eigentlich längst gescheitert“.

Bezug genommen wird dabei insbesondere auf Probleme mit Gasturbinen, die mangelhafte Abtrennung von Spaltprodukten, versagende Steuerstäbe und die erhöhte Korrosion. Thorium-Reaktoren waren in den Nachkriegs-Jahrzehnten in den USA, England und Deutschland in Betrieb, wurden aber in den späten 1980er Jahren wegen unterschiedlicher Probleme wieder abgedreht.

„Kommerzieller Betrieb ab 2070“

Dennoch gebe es derzeit zahlreiche Konzepte und Ideen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Aus heutiger Betrachtungsebene sind am weitesten fortgeschritten die Schwerwasser- und die Flüssigsalzreaktoren. Der Einsatz von Thorium spiele vor allem in China und Indien eine Rolle, berichtet Rupert Christian, einer der Autoren dieser Studie, die von der Umweltabteilung der Stadt Wien in Auftrag gegeben worden ist. „Der Zeithorizont in Indien ist allerdings ein sehr weiter: Mit einem kommerziellen Betrieb von Thorium-Reaktoren wird ab 2070 gerechnet.“

Neuen Schub bekommen die diesbezüglichen Pläne auch durch die „Small Modular Reactors“ (S.M.R.) - allerdings ist der Begriff nicht eng definiert, sodass die Szene ziemlich unüberschaubar ist. Es gibt nicht weniger als 66 unterschiedliche Reaktoren-Typen und Leistungsstufen. Dennoch macht das Konzept die Industrie jedenfalls optimistisch. Dazu heißt es in der FWU-Studie: „Offensichtlich verspricht man sich hier nicht nur raschere Lizenzierungs- und Genehmigungsverfahren, sondern auch wesentlich weniger Widerstand in der Öffentlichkeit.“ Die Studie kommt zum Schluss, dass selbst Institutionen wie die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) oder die Nukleare Energie-Agentur davon ausgehen, dass die Industrie noch weit weg von einer Marktreife sei.

Die Endlagerung des Thoriums ist nicht gelöst. Wie groß die Thorium-Vorräte sind, kann ebenfalls nicht wirklich gesagt werden – nach derzeitigem Stand des Wissens sind Vorräte vor allem in Dänemark, Usbekistan, Indien, USA, Ägypten, Norwegen und Finnland vorhanden.

Die Debatte um Thorium hat in der Vergangenheit auch deshalb Rückenwind bekommen, weil die IAEA vermutete, dass die Thorium-Vorräte etwa 250 Jahre ausreichen – unter der Annahme, dass die Stromproduktion, die heute mit AKW bewerkstelligt wird, sich nicht verändert.

Technische Probleme, unklare Endlagerung, die mögliche illegale Weitergabe spaltbaren Materials sind die Hauptgründe, weshalb die Studie zum Schluss kommt, dass Thorium keine Lösung der Herausforderungen im Energiesektor liefern könne. Rupert Christian: „Ungelöste Probleme und jahrzehntelanges Warten auf deren Lösung und schließlich hohe Kosten: Damit kann die Klimakrise nicht gelöst werden.“ Fragen der Energie müssten in den nächsten Jahren gelöst werden.

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