Arbeitsmarkt

Bildungskarenz kostet 512 Millionen Euro im Jahr, sie bringt aber wenig Nutzen

Unternehmen nützen die Bildungskarenz, um Mitarbeitern die Kündigung zu versüßen.
Unternehmen nützen die Bildungskarenz, um Mitarbeitern die Kündigung zu versüßen. Bloomberg
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Die staatlichen Ausgaben für die Bildungskarenz gehen durch die Decke. Aber es profitieren nicht jene, für die die Bildungskarenz einst erfunden wurde. Der Arbeitsminister hofft auf eine Reform noch in dieser Legislaturperiode.

Wien. Eine Auszeit vom Job, bis zu ein Jahr lang, staatlich finanziert. Was fast zu nett klingt, um wahr zu sein, ist in Österreich Realität. Möglich macht das die Bildungskarenz. Jeder, der zumindest sechs Monate ununterbrochen sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, kann eine Bildungskarenz beantragen. Es wird so gut wie jedem Antrag stattgegeben. In der Bildungskarenz erhält man zwei bis zwölf Monate lang Weiterbildungsgeld in der Höhe des fiktiven Arbeitslosengeldes. Das sind in der Regel 55 Prozent des letzten Nettoverdienstes. Man muss eine Ausbildung nachweisen, die Anforderungen sind jedoch überschaubar.

Dass das kein schlechtes Angebot ist, hat sich herumgesprochen. Die Zahl der Bezieher und damit der staatlichen Ausgaben schießt in die Höhe. Von 2013 bis 2019 stiegen die jährlichen Ausgaben für das Weiterbildungsgeld von 109 Mio. Euro auf 140 Mio. Euro. Der große Sprung fand in den vergangenen Jahren statt: Von 2022 auf 2023 stiegen die Ausgaben um 35 Prozent auf 337 Mio. Euro, zeigt eine Analyse der Agenda Austria. Wer in Bildungskarenz geht, dessen Arbeitsverhältnis ist ruhend gestellt, man bleibt aber kranken-, unfall- und pensionsversichert. Finanziert wird das aus der Arbeitslosenversicherung. Rechnet man die Sozialversicherungsausgaben dazu, lagen die Kosten für die Bildungskarenz voriges Jahr bereits bei 512 Millionen Euro.

Das Problem dabei: Die Bildungskarenz erfüllt ihren Zweck nicht. Eingeführt wurde sie im Jahr 1998, mit einer vernünftigen Idee. Menschen mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt – wie niedrig Qualifizierte und/oder Ältere – sollten die Möglichkeit erhalten, sich weiterzubilden und so ihre Jobchancen zu verbessern. „Das ist offenbar nicht gelungen“, schreibt Carmen Treml, Ökonomin bei der Agenda Austria, in ihrer Analyse.

Denn der Trend, dass vor allem jene die Bildungskarenz nützen, die ohnehin schon eine gute Bildung mitbringen, setzt sich fort. Im zweiten Quartal 2023 bezogen laut Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) 22.059 Menschen Weiterbildungsgeld im Rahmen einer Bildungskarenz. Davon hatten nur 2568 als höchste Ausbildung einen Pflichtschulabschluss. 3927 Bezieher waren Akademiker, 4422 hatten eine höhere Ausbildung wie die Matura. Treml verweist allerdings darauf, dass die statistischen Erhebungen Lücken aufweisen. Von jedem vierten Bezieher sei nicht klar, welche Ausbildung er hat.

Rechnungshof kritisiert Bildungskarenz

Im zweiten Quartal 2023 bezogen 18.005 Frauen und 4054 Männer Weiterbildungsgeld. Immer mehr Frauen nützen die Bildungskarenz, um ihre Babypause zu verlängern. Das kritisierte voriges Jahr auch der Rechnungshof in einem viel diskutierten Bericht. 69 Prozent der Frauen bezogen 2021 (aktuellste Daten) das Weiterbildungsgeld direkt im Anschluss an die Elternkarenz. Mit allen negativen Folgen: Der Wiedereinstieg ins Berufsleben sei nach der langen Pause für gewöhnlich schwieriger, nicht leichter, sagt Treml. „Die langfristigen Nachwirkungen auf das lebenslängliche Erwerbseinkommen sind gravierend.“ Auch der Rechnungshof ortet Anhaltspunkte, dass der Nutzen der Bildungskarenz für Karriere und Einkommen für Frauen geringer war als für Männer.

Arbeitsminister Kocher hat eine Reform der Bildungskarenz angekündigt. Es gebe bereits eine weitgehende Einigung mit den Sozialpartnern, sagte er vorige Woche. Er hoffe auf einen Gesetzesentwurf vor der Wahl.

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