Morgenglosse

Was denn noch, liebe Agrarlobbyisten?

Bauern behinderten am Donnerstag erneut die Warenabfertigung in den belgischen Häfen von Antwerpen und Zeebrugge.
Bauern behinderten am Donnerstag erneut die Warenabfertigung in den belgischen Häfen von Antwerpen und Zeebrugge.Imago / Bert Van Den Broucke
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Europas zarter Versuch, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten, wird aus Angst vor dem Zorn der Straße Stück für Stück zurückgenommen. Doch das weckt immer neue Begehrlichkeiten.

Das wesentliche Problem mit Erpressern ist dieses: gibt man ihren ultimativ untermauerten Forderungen nach, weiß man nie, ob der Spuk damit wirklich sein Ende hat – oder ob nicht die nächste fordernde Drohung kommt. Deshalb funktioniert das Erpressen auch so oft. Der Erpresser sitzt emotional auf dem längeren Ast.

Somit erklärt sich, wieso organisierte Agraraktivisten in mehreren Mitgliedstaaten der EU trotz der umfassenden Zugeständnisse der Politiker weiterhin für Chaos sorgen. In Belgien belagerten Landwirte mit ihren Traktoren die wichtigen Seehäfen Zeebrugge und Antwerpen. In Polen wird ebenso weiter protestiert und blockiert wie in Frankreich.

Dabei legen Europas Regierungen ohnehin seit Wochen einen ununterbrochenen Kniefall vor den Landwirten hin. Heute, Freitag, wird die Europäische Kommission wesentliche Teile der ökologischen Bedingungen, die Bauern erfüllen müssen, um EU-Subventionen zu erhalten, streichen, beziehungsweise ins Homöopathische verwässern.

Es stellt sich die Frage, ob die organisierte Bauernschaft sich nicht im Ziel ihres Furors irrt. Spätestens beim nächsten Starkregen, der ausgelaugte Äcker wegspült, oder nach der kommenden sommerlichen Dürre wird wieder das Gejammer und Gezeter der Agrarier laut werden – samt Forderungen nach, klar doch, Hilfszahlungen aus Brüssel. Dabei sollten die nun abgerüsteten Öko-Vorschriften dafür sorgen, dass Europas Äcker genau solchem durch den Klimawandel verschärften Extremwetter besser standhalten können.

Währenddessen sind die wahren Feinde der europäischen Bäuerlichkeit weiter auf dem Vormarsch. Der französische Radiosender France Inter berichtete, dass derzeit zwei Anträge für monströse Tierfabriken der Genehmigung durch die Behörden harren: eine Geflügelzucht, die jährlich 1,1 Millionen (!) Hühner mästen will (wofür 21 Hennen pro Quadratmeter zusammengepfercht werden sollen), und ein Viehmastbetrieb, der mehr als 5000 Rinder pro Jahr schlachtreif machen will, wozu jederzeit mehr als 3000 Tiere in gigantischen Ställen vegetieren müssen. Jener Betrieb soll sage und schreibe von drei, dieser von fünf Arbeitnehmern am Laufen gehalten werden. Solche abwegigen Betriebsformen zerstören das vielbeschworene europäische landwirtschaftliche Modell – und nicht die ohnehin vom Steuerzahler finanzierte Pflicht, Hecken und Brachen zu schützen.

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