Kommentar

Drei Erkenntnisse aus dem Fiasko um das Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler

Am 6. März protestierte die Belegschaft des Unfallkrankenhauses Lorenz Böhler und zeigte, dass gegen ihren Willen keine Maßnahmen gesetzt werden können.
Am 6. März protestierte die Belegschaft des Unfallkrankenhauses Lorenz Böhler und zeigte, dass gegen ihren Willen keine Maßnahmen gesetzt werden können.APA/Fohringer
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Gegen den Willen des medizinischen Personals geht in Österreich nichts mehr. Die AUVA hat ein veritables Kommunikationsproblem. Und die Stadt Wien eines mit Glaubwürdigkeit.

Im Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler (Traumazentrum Brigittenau) ist aus Brandschutzgründen Gefahr im Verzug, das Spital muss unverzüglich geschlossen werden, die Belegschaft wird auf andere Kliniken in Wien umgesiedelt – mit dieser Ankündigung Ende Februar begann die beispiellose Selbstdemontage der Generaldirektion der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt). Ohne das Personal angemessen einzubinden und ohne sich ausreichend mit der Stadt Wien sowie dem Gesundheitsministerium abzustimmen, wollte sie weitreichende Maßnahmen setzen – und das auf Basis einer umstrittenen Begutachtung des Gebäudes in der Brigittenau, von dem schon seit Jahren die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass es hinsichtlich Brandschutz nicht mehr auf dem neuesten Stand ist.

Nichts davon ist übrig geblieben. Die Belegschaft wird nicht umgesiedelt, stattdessen prüft die AUVA, ob das Spital nicht doch bei laufendem Betrieb saniert und in unmittelbarer Nähe ein Container-Komplex errichtet werden kann, in dem die Patienten untergebracht sind, während die medizinische Infrastruktur des Lorenz Böhler weiterhin genutzt wird. Diesem Kniefall der Generaldirektion vor dem Betriebsrat gingen ein öffentlicher Aufschrei, eine Schelte der Stadt Wien sowie des Gesundheitsministeriums und eine Streikdrohung voraus. Zu sagen, dass die Kommunikation missglückte, wäre die Untertreibung des Jahres. Die AUVA hat mit ihrem katastrophalen Krisenmanagement ihr Ansehen nachhaltig beschädigt – inklusive des schlimmen Verdachts, dass sie von Anfang an eine eigene Agenda verfolgte, und zwar die Zerschlagung des Lorenz Böhler. Eine Variante, die nach diesem Fiasko auf absehbare Zeit vom Tisch ist.

Zu mächtiges Personal

Die zweite wichtige Erkenntnis aus den vergangenen Wochen: Medizinisches Personal ist angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels in Österreich im Allgemeinen und Wien im Speziellen zu mächtig, um über seinen Kopf hinweg Entscheidungen zu treffen. Wenn Ärzte und Pflegekräfte als Druckmittel für Forderungen einen Streik in Aussicht stellen, wird diesen Forderungen eigentlich immer nachgegeben – das zeigten zuletzt schon die Verhandlungen zum Finanzausgleich, als die Ärztekammer vergeblich entmachtet werden sollte, und jetzt auch die Causa Lorenz Böhler. Tatsächlich erfüllte die AUVA-Generaldirektion de facto jede Bedingung des Betriebsrats, um einen für Donnerstag angedrohten Warnstreik abzuwehren.

Apropos Fachkräftemangel. Ja, die Stadt Wien zeigte sich irritiert über die Vorgehensweise der AUVA, Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte in der „Krone“, die Schließungs- und Umsiedlungspläne seien so nicht vereinbart gewesen und daher inakzeptabel. Insgesamt hielt er sich aber für seine Verhältnisse auffallend zurück. Mehr noch, teilweise rechtfertigte er einzelne Standpunkte der Generaldirektion. Und eigentlich ist es sogar überraschend, dass er es überhaupt so weit kommen ließ, hatte sein Büro doch von Anfang an Einblick in die Pläne der AUVA, die sich später als nicht durchdacht und unprofessionell herausstellten.

Stadt Wien hätte profitiert

Die naheliegende Erklärung: Wäre das Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler tatsächlich geschlossen worden, wären die rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter plötzlich auf dem freien Markt. Denn viele von ihnen würden womöglich nicht in das AUVA-Traumazentrum Meidling oder ins AKH wechseln, sondern sich eine Stelle in einem der Gemeindespitäler des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) suchen – und finden. Schließlich braucht jedes einzelne von ihnen dringend Ärzte und Pflegekräfte, bestens ausgebildetes Personal aus einem Unfallkrankenhaus wäre also höchst willkommen.

Angesichts dieses Szenarios, das mittlerweile wie gesagt obsolet wurde, ist die Zurückhaltung der Stadt Wien durchaus kein Mysterium. Was sehr wohl ein Mysterium bleibt, ist die Frage, wie es AUVA-Generaldirektor Alexander Bernart mit seiner Selbstachtung vereinbaren kann, für diese peinliche Performance seines Teams nicht die Verantwortung zu übernehmen – und seinen Posten zu räumen.

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