BYD

Europa-Siegeszug ist ins Stocken geraten

BYD ist bei den Verkaufzahlen führend, dürfte aber sein Exportziel vorerst noch verfehlen.
BYD ist bei den Verkaufzahlen führend, dürfte aber sein Exportziel vorerst noch verfehlen. Reuters / Aly Song
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Elektroautos. Die ambitionierten Auslandsziele wird BYD in diesem Jahr noch nicht erreichen. Dennoch können die deutschen Autobauer viel vom Unternehmensmodell der Chinesen lernen.

Peking. Als das 200 Meter lange Containerschiff Ende Februar in Bremerhaven anlegt, ist dies der erste Vorbote eines chinesischen „Autotsunamis“. Rund 3000 Elektroautos rollen von der Ladefläche des „BYD Explorer No. 1“, einem von acht Schiffen, die das Unternehmen aus Shenzhen für seine Europa-Offensive gechartert hat. „Build Your Dreams“ ist ein passender Name für das Unternehmen, das in nur wenigen Jahren geschafft hat, wovon die Parteikader in Peking seit den 1950ern träumen: China zur Autonation zu machen.

Spätestens im vierten Quartal des Vorjahres hat die Stunde von BYD geschlagen: Erstmals ist der Autobauer an Tesla vorbeigezogen und hat die weltweite Spitze der E-Mobilität erklommen. Kein anderer Konzern verkauft mehr Elektro-Pkw. Selbst von Volkswagen, dem jahrzehntelangen Marktführer in China, heißt es mittlerweile ganz bescheiden: Es sei unvermeidlich, dass die künftige Nummer eins auf dem größten Automarkt der Welt eine chinesische Marke sein werde. Und derzeit kommt dafür nur BYD infrage. Dass die Chinesen VW auch bei der kommenden Fußball-WM vom Sponsorenthron gestoßen haben, ist nur ein weiterer symbolischer Schachzug, der die Autonation Deutschland ins Mark trifft.

Batterie als Ausgangspunkt

Es lohnt sich also in jedem Fall, die Unternehmensgeschichte von BYD unter die Lupe zu nehmen: Vor über einem Vierteljahrhundert kaufte Wang Chuanfu einen maroden staatlichen Autokonzern auf, um künftig an Chinas batteriebetriebener Zukunftsmobilität zu tüfteln. Der heute 57-Jährige hat eine Lebensgeschichte, wie sie wohl nur das moderne China hervorbringt: Einst Vollwaise, geboren in eine bitterarme Bauernfamilie, verfügt der Unternehmer mittlerweile über ein Vermögen von rund 20 Milliarden Dollar.

Von BYD zu lernen heißt vor allem, das traditionelle Autobauen zu verlernen: Wang, von der „Financial Times“ als „verrückter Professor“ betitelt, hat so ziemlich alles anders gemacht, als es von der Branche praktiziert wurde. Sein Kerngeschäft war zunächst die Produktion von Batterien, um die schließlich der Pkw „herumgedacht“ wurde. Die Besonderheit des Konzerns ist vor allem, dass dieser sämtliche Produktionsstufen in der Hand hat – von der eigenen Batterieherstellung über hochkomplexe Chipkomponenten bis hin zu den Containerschiffen.

Warren Buffet war 2008 der erste internationale Investor, der an das unbekannte Unternehmen aus Shenzhen glaubte: Er steckte damals bereits über 230 Millionen Dollar in BYD. Seither haben sich die Aktienkurse in etwa verdreißigfacht.

Das gängige Vorurteil, dass die Chinesen vor allem „billiger“ seien, trifft auf BYD nicht zu. Das Unternehmen punktet mit Qualität, wie auch Tesla-Gründer Elon Musk kürzlich in einem Interview neidlos einräumte: „Sie sind extrem gut“, sagte er. Und fügte apokalyptisch an: Ohne Handelsbeschränkungen würden sie die meisten Autofirmen „ziemlich zerstören“. Dazu kommt die chinesische Industriepolitik: Diese wird oft mit dem Versuch verglichen, Nudeln an eine Wand zu werfen und zu schauen, was kleben bleibt. Allein durch die schiere Größe des chinesischen Marktes wäre dies eine ganze Menge.

Brutaler Preiswettbewerb

Durch flächendeckende Subventionen – das „Manager Magazin“ schätzte zuletzt die Finanzhilfen auf rund 200 Milliarden Dollar – wurden Hunderte Unternehmen angelockt, auch viele schwarze Schafe. Doch sobald die Industrie auf eigenen Beinen zu stehen lernte, entzog der Staat die finanziellen Hilfen sukzessive. Es entstand ein erhitzter Markt, dessen Teilnehmer sich in einem brutalen Preiskrieg zerfleischen. Jene Firmen, die überleben, werden auch weltweit reüssieren: Sie sind zwangsweise extrem effizient, schnell und innovativ geworden.

Doch das chinesische Modell hat auch Schwächen, so erzeugt es horrende Überkapazitäten und provoziert protektionistische Maßnahmen der Handelspartner. Auch die Europäische Union prüft gerade, inwieweit China mit wettbewerbsverzerrenden Subventionspraktiken agiert hat. Strafzölle gelten als wahrscheinlich – die aber wohl sanfter ausfallen werden als die von den USA eingehobenen 25 Prozent.

Der Vorwurf, künstlich die Preise zu drücken, trifft in Europa bislang jedoch nicht zu. Denn der europäische Markt ist ja für BYD und Co. gerade deshalb so attraktiv, weil er noch vergleichsweise hohe Margen abwirft. Während in China praktisch alle E-Auto-Produzenten außer BYD rote Zahlen schreiben, können dieselben Modelle in der EU zum doppelten Preis verkauft werden.

Doch zuletzt berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Insider über deutliche Probleme bei BYDs Europa-Expansion. Das Ziel, im Laufe des Jahres 400.000 Fahrzeuge im Ausland zu verkaufen, werde man wohl nicht erreichen können, heißt es. Der chinesische Autotsunami bleibt also aus, zumindest vorerst. Spätestens im nächsten Jahr dürfte sich die Konkurrenz jedoch auf deutlich stürmischere Zeiten einstellen.

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