Meinl-Reisingers Pläne

Neos: Der mühevolle Marsch an die Macht

Die Wende, die sie meint: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger schrieb zum Wahlkampfstart ihr erstes Buch.
Die Wende, die sie meint: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger schrieb zum Wahlkampfstart ihr erstes Buch.APA/Georg Hochmuth
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Zwölf Jahre nach ihrer Gründung stehen die Neos vor ihrer ersten Regierungsbeteiligung, mit ihrem neuen Buch hat Beate Meinl-Reisinger nun ihr Programm vorgelegt. Doch die angestrebte Positionierung in der Mitte hat so ihre Tücken.

Die Neos mögen es rosa. So richtig. Wenn Parteichefin Beate Meinl-Reisinger wie am vergangenen Donnerstag ihre Grundsatzrede hält, dann findet das in einem Kagraner Bürohochhaus statt, im 19. Stock, zu einer Uhrzeit, zu der sich die Wolken über der Donau fast kitschig einfärben. So sehr, dass es die Scheinwerfer, die den Raum in pinkes Licht tauchen, gar nicht brauchen würde. Davon einmal abgesehen ist die Partei, was Inszenierung angeht, verglichen mit anderen Fraktionen, einigermaßen puristisch. Da gibt es nicht schon beim Einzug der Spitzenkandidatin Standing Ovations, die Parteiprominenz busselt sich derweil nicht offensiv ab, eigentlich ist sie nicht einmal geschlossen anwesend.

Und auch damit, Herbert Grönemeyers „Angstfrei“ abzuspielen, wartet man immerhin bis zum Ende der Veranstaltung. Die Nummer ist für die Neos einigermaßen programmatisch: „Aber eine Frage, die drängt / Wie komm‘n wir aus der Enge in die Offensive? Freiheit, Neuzeit, vor allem angstfrei“. Und dann doch die Abkehr von der Farbe: „Hart der Wille / Keine rosa Brille“, tönt aus den Lautsprechern, nachdem Meinl-Reisinger am Ende ihrer Rede ist. Eineinhalb Stunden hat sie ohne Unterlass gesprochen, hat referiert, welche Probleme sie im aktuellen politischen System Österreichs sieht und welche Lösungen sie vorschlägt. Nachzulesen auf knapp 200 Seiten in ihrem diese Woche erschienenen Buch.

Was will Meinl-Reisinger nun also mit diesem Buch und ihrer Rede? Jedenfalls abrechnen, und zwar mit der zeitgenössischen Politik. „Mit Schaudern wenden sich die Menschen ab von der Politik“, schreibt die Neos-Chefin etwa. „Es wird erbarmungslos gestritten, doch nicht immer um Wesentliches.“ Populismus und Autoritarismus seien „auf dem Vormarsch“, in der heimischen Politik gebe es ein „eklatantes Führungsversagen“. So sei es „eine Grundthese des Buches“, sagt Meinl-Reisinger im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, „dass die Mitte erodiert, und zwar politisch wie wirtschaftlich“. Die Neos-Chefin findet, dass „das Aufstiegsversprechen brüchig geworden“ sei, „Familien mit Kindern geraten unter Druck“, weil sie etwa durch Nachhilfestunden und Zusatzversicherungen Geld in die Hand nehmen müssen, wo eigentlich der Staat zuständig wäre. „Daher ist es eine meiner wesentlichen Aussagen, wie wir die Mitte stärken.“

Mit Buch und Grundsatzrede begeht Meinl-Reisinger quasi den pinken Wahlkampfauftakt – aus dem Ziel für den Herbst macht die Parteichefin kein großes Geheimnis: Zwölf Jahre nach der Gründung wollen die Neos regieren. Stand jetzt ist das alles andere als unwahrscheinlich, die ÖVP würde nämlich Insidern zufolge künftig lieber mit Pink als mit Grün regieren, dasselbe hört man über die in der Sozialdemokratie maßgebliche Wiener SPÖ. „Wir sind jedenfalls bereit dazu, wir haben jetzt die Professionalität dazu und auch die Energie“, sagt Meinl-Reisinger. „Und jetzt lege ich ein Programm vor.“

Darin erklärt sie, wie sie sich die „Wende“ vorstellt, nämlich mit massiven Senkungen auf Arbeitseinkommen, substanziellen Reformen in der Bildung, einer Senkung der Parteienförderung, Einsparungen bei den Pensionen und nötigenfalls der „Zerschlagung“ sozialer Netzwerke, wenn diese den gesellschaftspolitischen Diskurs nachhaltig schädigen. „Es ist kein Wahlprogramm, es ist kein Parteiprogramm“, sagt Meinl-Reisinger. „Ich wollte mich darauf konzentrieren, was ich als ganz zentral betrachte: Bildung, Entlastung, Integration – und eine Kampfansage an die Kulturdebatte.“ Ein Beleg für ihren inhaltlichen Alleingang findet sich auf Seite 164 in Meinl-Reisingers Buch: Dort fordert sie eine Art „Grunderbe“, durch das „alle 18-Jährigen 25.000 Euro bekommen“. Meinl-Reisinger: „Dem Vorwurf der Leistungsfeindlichkeit (…) könnte man damit begegnen, dass dieses Geld nur für bestimmte Zwecke abgerufen werden kann“, als Beispiele nennt sie Bildung, Unternehmensgründungen und Wohnungskäufe. Wenn man später einmal erbt, müsste man nach dem Modell der Neos-Chefin das Geld zurückzahlen. Mit der Partei entwickelt wurde die Idee nicht, heißt es bei den Neos, einzig wurde der Vorschlag vor der Veröffentlichung des Buches intern abgesprochen.

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