Landestheater Linz

„König Ottokar“ im Crashkurs

Die Österreicher beobachten den Fall ihres alten Königs genau: Christian Taubenheim als Ottokar.
Die Österreicher beobachten den Fall ihres alten Königs genau: Christian Taubenheim als Ottokar.Petra Moser
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Stephanie Mohr hat Franz Grillparzers Trauerspiel mit recht viel Pathos und großem Ensemble inszeniert, musikalisch stimmig und sogar mit etwas Pfiff.

Wie stellt man auf einer Bühne effektvoll Verheerungen dar? Wer die nötigen Mittel dazu hat, kann, wie das zum Beispiel einst bei den Salzburger Festspielen der Fall war, bei einem berühmten Historiendrama von Franz Grillparzer die Kriegskamarilla eine Reihe nagelneuer Autos zerstören lassen. Oder in einer großen Oper einen Konzertflügel von hoch oben herunterfallen lassen. Das macht ordentlich Krach.

Im Landestheater Linz gab es am Samstag eine Zwischenlösung. Bei Grillparzers von Stephanie Mohr inszeniertem Trauerspiel „König Ottokars Glück und Ende“ (1825) stellte Florian Parbs ein Klavier auf die Bühne. Wolfgang Schlögl bearbeitete es so kreativ, dass es tönte und dröhnte wie vor, in und nach den wildesten Schlachten, die man aus österreichischen Schulbüchern kennt. Angelehnt ans Instrument war hochkant ein zweites, bereits beschädigtes, auf dem Mitspielende zuweilen herumzupften und klopften. Irgendwann hing vom Schnürboden auch ein dritter Flügel herab. Das dunkle Symbol bedeutet wohl: Die Zeit ist aus der Fuge.

Das Böse des Böhmen

Wie stellt man glaubwürdig all die Länder dar, die der mächtige Böhmenkönig Primislaus Ottokar im 13. Jahrhundert erhalten und dann wieder verloren hat, im Machtkampf mit einem Schweizer Aufsteiger, dem Grafen Rudolf von Habsburg? In dem Fünfakter muss man doch von Hof zu Hof eilen und von Jahr zu Jahr, wegen all der Hochzeiten, Belehnungen, Krönungen und anderer Skandale. Parbs hat eine praktische Lösung gefunden: Ein Metallgestänge auf der Drehbühne, mit Treppen in den ersten Stock, wo man herrlich intrigieren kann. Und irgendwann hängen dann fast ein Dutzend Kronen vom Schnürboden herab. Es geht um die Macht, da mischen sie fast alle hemmungslos mit, diese Kaiser, Könige, Herzöge, Grafen, Bürgermeister und selbst gewöhnliche Leute.

Vereinzelte Loyalität, stetes Misstrauen und ständig drohender Verrat wurden dann auch von dem großen Ensemble (inklusive Studierender der Anton Bruckner Privatuniversität mehr als zwei Dutzend) ausgiebig vorgeführt. Die endzeitlich-modern anmutende Szenerie sollte nicht täuschen. Mohr hat für das Geschehen ausreichend Pathos verwendet und ist dem Originaltext treu geblieben. Musikalisch ist die Aufführung stimmig, die Massenszenen haben Pfiff. In drei Stunden (inkl. Pause) konnte man Grillparzer in Fülle erleben: Ottokar im Crashkurs.

Der Habsburger-Mythos, der Österreich angeblich zum Segen wurde, geriet allerdings recht angepasst und brav, Abgründe des Biedermeier waren kaum spürbar. Nur in Ansätzen schimmerte durch, dass auch die „Guten“, die andere sich um Kopf und Kragen reden lassen, in solch wilden Gründerzeiten ausreichend kriminelle Energie besitzen müssen, um erfolgreich zu sein. Nur der Gegenspieler aber durfte das Böse des Böhmen maßlos ausleben in seiner Gier.

Der gelernte Österreicher denkt . . .

Wie haben sich die Darsteller behauptet? Eine dankbare Rolle konnte Christian Taubenheim als Ottokar erfüllen. Seine Figur ist von Anfang an rabiat, auch gegen treue Diener wie seinen Kanzler (Christian Higer). Maßlos wirkt er auch gegen Vater und Sohn Merenberg (Lutz Zeidler, Jakob Kajetan Hofbauer, als Opfer und Täter). Er steigert sich in einen Vernichtungswahn, der ihn am Ende selbst trifft. Helmuth Häusler wirkt als sein Kontrahent Rudolf stets gefährlich ruhig. Nur manchmal glaubt man den Anflug eines Grinsens in seinem Sphynx-Gesicht zu erkennen, wenn er weiß, dass die Sache gut für ihn läuft. Höchst subtil ist das gemacht.

Und die Rosenbergs, die Groll gegen Ottokar hegen, weil er Berta, die ihm zugeführte und verführte Tochter des Benesch von Diedzic fallen ließ? Horst Heiss, Alexander Julian Meile und Cecilia Pérez wirken fast zurückhaltend. Benedikt Steiner hingegen muss die Intriganz des Zawisch zum Äußersten treiben, nicht nur in den Szenen mit dem König, sondern auch mit Lorena Emmi Mayer als schriller Kunigunde von Masowien. Ottokar hat die Ungarin zur Frau genommen, nachdem er Margarethe von Österreich vom Hofe verstieß, ihre Länder aber behielt. Katharina Hofmann gibt die Leidensfrau, als sänge sie ein trauriges Lied. Das tut sie dann auch.

Der Rest ist Schweigen

Wie aber stellt man bei so vielen Führern so viele Völker dar? Mit einem einfachen Trick: Gruppenweise wechseln sie die Identitäten durch die Kopfbedeckung. Wer eben noch Ritter, Graf oder Diener war, setzt sich eine Wollhaube auf und mutiert zum Böhmen, wird zum Steirer durch einen Steirerhut oder durch andere Filzvarianten zu anderer Population. Eine davon stimmt sogar den berühmten vaterländischen Monolog des Dienstmannes Ottokar von Hornek an, dessen Herr verhaftet worden war. Rudolf wird darum gebeten, sich Österreichs anzunehmen: „Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land, / Wohl wert, dass sich ein Fürst sein unterwinde!“ Das wirkt auch im Chor überzeugend. Der Rest ist Schweigen. Denn wie handelt der gelernte Österreicher? „Denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden!“

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