Klima

Der Meeresspiegel steigt doppelt so schnell

Unwetter wie diese – eine Windhose über dem Mittelmeer – werden häufiger und folgenschwerer.
Unwetter wie diese – eine Windhose über dem Mittelmeer – werden häufiger und folgenschwerer.Alkis Konstantinidis
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2023 war das heißeste Jahr und hat bei allen Klimaparametern Rekorde gebrochen, so der jüngste Bericht der Weltorganisation für Meteorologie. Der Report zeigt auch, was nun geschehen muss.

Es ist der 30. Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), der am Dienstag vorgelegt wurde, und er überschlägt sich mit Superlativen. Alle Kennzahlen und Parameter mit einem Bezug zum Klima zeigen, dass sich die Entwicklungen beschleunigt und verschärft haben. 2023 war das wärmste Jahr in der 174-jährigen Geschichte der Messungen, die vergangenen neun Jahre waren auch die wärmsten neun Jahre, die gemessen worden sind. „Hitzewellen treten jetzt häufiger auf als im späten 20. Jahrhundert, sie dauern länger und fallen intensiver aus“, so der Bericht.

Die Durchschnittstemperatur lag im Vorjahr um 1,45 Grad Celsius über dem Mittelwert der Jahre 1850 bis 1900 – und damit nur knapp unterhalb des Paris-Ziels. Auf der Klimakonferenz im Dezember 2015 wurde in der französischen Hauptstadt ein Protokoll verabschiedet, das mittlerweile völkerrechtlich verbindlich ist und vorgibt, dass bis zum Ende des 21. Jahrhunderts der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur „well beyond“ zwei Grad und vorzugsweise nicht höher als 1,5 Grad Celsius sein sollte. Der Mittelwert der Jahre 2014 bis 2023 liegt bei 1,2 Grad. Der Ausstoß von Kohlendioxid, Methan und Stickstoffoxiden – der drei wichtigsten Treibhausgase – hat erneut Rekordmengen erreicht (wobei diese Auswertung das Jahr 2022 betrifft, da keine neueren Daten verfügbar sind).

Das Mittelmeer ist besonders warm

Die Veränderungen sind auf den Weltmeeren besonders stark. So haben die Ozeane in der 65-jährigen Geschichte der Messungen einen Höchststand erreicht. Besonders stark betroffen ist das Mittelmeer. Deutlich nachvollziehbar ist die Entwicklung auch bei der Analyse des Tempos des Anstiegs des Meeresspiegels. Der ist in den vergangenen zehn Jahren doppelt so schnell vorangeschritten wie in den Jahren 1993 bis 2002 – von 2,33 Millimetern jährlich auf 4,77 Millimeter.

Eindeutig ist auch der Verlust des arktischen und antarktischen Meereises, wobei sich die Entwicklung in der Antarktis seit 2015 stark beschleunigt. Die Eismenge um die Antarktis ist um etwa 1,5 Millionen Quadratkilometer geringer als im Schnitt der Jahre 1991 bis 2020. Die verschneiten Landflächen sind 2023 um 1,47 Millionen km² kleiner ausgefallen als der langjährige Mittelwert.

„Wir haben eine ganze Generation verloren. Jahrzehnte, in denen wir Maßnahmen hätten ergreifen können“, sagt Celeste Saulo, Generalsekretärin der WMO. „Ich drücke jetzt den Alarmknopf.“ Die Lage sei ernst, aber es gebe auch Hoffnung: An erster Stelle nennt Saulo die erneuerbaren Energien.

735,1 Millionen haben zu wenig zu essen

Der ökonomische Verlust durch Katastrophen, die auf extremeres Wetter zurückzuführen sind, habe deutlich zugenommen, besonders stark betroffen sei die Landwirtschaft. Das hat unter anderem dazu geführt, dass die Ernährungssicherheit auf einem Tiefstand ist und mittlerweile 333 Millionen Menschen betrifft – doppelt so viele wie vor Ausbruch der Covid-Pandemie. Heute sind 735,1 Millionen Menschen unterernährt, 2019 waren es 612,8 Millionen.

Etwas mehr als die Hälfte der Staaten haben Frühwarn- und Notfallpläne entwickelt, um den Katastrophen, die durch das Wetter ausgelöst und verstärkt werden, zu begegnen. In der anderen Hälfte „sind die Menschen weitgehend auf sich allein angewiesen“, so Saulo.

In einer Videobotschaft sagte UN-Generalsekretär António Guterres: „Der Planet steht an der Kippe.“ Aber auch er ortet Hoffnung, durch den Aufwind für die erneuerbaren Energien etwa. „Wir wissen, was zu tun ist.“ Er fordert nationale Klimapläne ein, in allen Staaten Frühwarnpläne bis 2027 und die „Beschleunigung des unvermeidlichen Endes des Zeitalters der fossilen Brennstoffe“. Zu guter Letzt fordert er auch eine Aufstockung der dafür notwendigen Finanzmittel.

Die Gesamtsumme, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern, ist zwar mittlerweile auf 1,3 Billionen US-Dollar jährlich gestiegen, so der WMO-Bericht, benötigt würde aber eine sechsmal so hohe Summe. Die 1,3 Billionen US-Dollar machen gerade ein Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts aus. Für die Anpassung an das heißere und rabiatere Klima werden, so die WMO, derzeit jährlich etwa 63 Billionen ausgegeben, nötig seien aber in den Entwicklungsländern allein 212 Billionen.

Für 2024 rechnet Omar Baddour, Leiter der Klimabeobachtung in der WMO, damit, dass die Temperaturen auf noch höhere Werte steigen. „Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch.“ Trotz alledem schließt Celeste Saulo optimistisch: „Wir können diese Herausforderungen bewältigen; wir schaffen das – für das Wohl der Menschheit insgesamt.“

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