Kino

Warum Nicolas Cage nie vergeht

Von allen Seiten unter Beschuss: Nicolas Cage in Kristoffer Borglis satirischem Fantasy-Drama „Dream Scenario“.
Von allen Seiten unter Beschuss: Nicolas Cage in Kristoffer Borglis satirischem Fantasy-Drama „Dream Scenario“.A24
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Seit er zur Internet-Kultfigur wurde, sorgt sich der 60-jährige Schauspielstar um sein Vermächtnis. Dabei kommt er regelmäßig zu Ehren, jüngst etwa mit dem sehenswerten Fantasy-Drama „Dream Scenario“.

Als was wird man Nicolas Cage erinnern, fragte unlängst der „Spiegel“ in einem Porträt des US-Filmstars: als „Genie“ oder als „Clown“? Die gängige Antwort auf diese Frage ist seit Jahren unbeständig wie das Wetter. Mal scheint Cage, der in den Neunzigern einfach nur ein erfolgreicher und beliebter Schauspieler war, seinen Ruf als Kinomime endgültig ruiniert zu haben, mit einer Reihe von Auftritten in schnöden Schundlern aus der Streaming-Wühlkiste. Dann ist er plötzlich „wieder zurück“, in einer „richtig guten Rolle“, die zeigt, dass er es „immer noch draufhat“ – nur um kurz darauf wieder aus dem Blickfeld der breiten Öffentlichkeit zu verschwinden. Und irgendwann verlässlich wieder aufzutauchen, mit der nächsten „richtig guten Rolle“ im Gepäck.

Wie Cages Karriereweg zur Sinuskurve wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Schulden und das Internet trugen jedenfalls wesentlich dazu bei. Die Bankenkrise des Jahres 2008 kostete den für seinen ausschweifenden Lebensstil bekannten Darsteller sehr viel Geld. Seither scheint er kein Rollenangebot auszuschlagen, ganz gleich, wie künstlerisch fragwürdig es auf dem Papier klingt. Doch bei Cages rabiater Arbeitswut – allein 2019 kamen sechs Filme mit ihm heraus – finden sich unter etlichen Fehlgriffen nahezu zwangsläufig auch ein paar Volltreffer. Und von diesen schaffen es manche auch auf den Radar des Mainstreams: Das sind dann die besagten „richtig guten Rollen“.

Vom Oscar-Preisträger zur Online-Sensation

Dass Cage zwischen selbigen nicht in der Versenkung verschwindet, liegt wiederum am eigentümlichen Kultstatus, den er im Netz genießt. Ein virales Video aus 2013, das Clips aus bekannten und weniger bekannten Filmen des gebürtigen Kaliforniers kompilierte, warf ein knalliges Schlaglicht auf das Überschießende an seinem Schauspielstil: die irrwitzigen Auszucker, die übersteuerte Melodramatik. Es machte „Cage Rage“ zum Meme. Und pushte die Popularität des Oscar-Preisträgers aus „Leaving Las Vegas“ bei einer jüngeren Generation mit Affinität fürs Skurrile. Obwohl das Online-Phänomen Cage auch dem Schauspieler dahinter zu neuem Aufschwung verhalf, sorgt sich der 60-Jährige inzwischen um sein Vermächtnis: Als „Clown“ möchte er eben nicht in Erinnerung bleiben.

Daher betont Cage auch, wie sehr ihm sein derzeit auffälligstes Projekt, „Dream Scenario“, persönlich am Herzen liegt. Dieses birgt nicht nur eine seiner „richtig guten Rollen“, die ihm sogar eine Nominierung bei den Golden Globes eingebracht hat; man kann es auch als Porträt des Künstlers als Spielball der Netzkultur interpretieren. Cage verkörpert in „Dream Scenario“ den unscheinbaren, neurotischen Biologieprofessor Paul, der plötzlich in Träumen wildfremder Menschen aufzupoppen beginnt: Er wird also zum Phänomen, zum „interessantesten Menschen auf der Welt“. Anfangs freut ihn die (Online-)Aufmerksamkeit, sein Ego schnurrt. Doch als Pauls Traumpräsenz jäh vom Harmlosen ins Unheimliche kippt, tut es auch sein Image: Plötzlich will niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. Schlimmer noch, er wird „gecancelt“ und zur Persona non grata, die nur noch in Frankreich (wo sonst?) Fans hat.

Gedankenexperimente über Geltungsdrang

„Dream Scenario“ ist auch unabhängig von Cage sehenswert. Das aufstrebende norwegische Autorenfilmtalent Kristoffer Borgli schließt mit dem satirischen Fantasy-Drama an seine schwarze Komödie „Sick of Myself“ an, in der sich eine junge Frau mit immenser Ich-Schwäche selbst Gewalt antut, um im öffentlichen Rampenlicht zu stehen. Auch Borglis Zweitling, produziert vom Hype-Studio A24, handelt von Geltungsdrang und dessen Schattenseiten im Zeitalter von Social Media, betreibt ambivalente Gedankenexperimente mit leidigen Reizthemen der Gegenwart.

Cage ist im Film ideal besetzt – doch ein nerdiges Nervenbündel gab er schon besser, in „Adaptation“ von Spike Jonze und Charlie Kaufman. Trotzdem sollte sich der Star keine Sorgen machen: Es braucht diese „gute Rolle“ gar nicht, um ihn vor der Verclownung zu retten. Als Genie wird er zwar nicht in die Filmgeschichte eingehen, aber gewiss als außergewöhnlicher Schauspieler: getrieben und enorm wandlungsfähig, manieriert bis an die Schmerzgrenze – und genau darin authentisch. Seine Karriere ist lang nicht vorbei.

„Dream Scenario“: Ab 22. 3. im Kino. Das Gartenbaukino in Wien zeigt zudem ab 22. 3. anlässlich des Filmstarts von „Dream Scenario“ die Cage-Klassiker „Face/Off“, „Moonstruck“ und „Raising Arizona“, jeweils mit dem Vorfilm „The Act of Dying“ vom österreichischen Filmemacher Jan Soldat, der Sterbeszenen aus zahlreichen Cage-Filmen kompiliert.

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