Literatur

„Hör auf zu brüllen, Schluss“: Störungen auf der Leipziger Buchmesse

Olaf Scholz bei der Eröffnung der Buchmesse.
Olaf Scholz bei der Eröffnung der Buchmesse.APA / AFP / Hendrik Schmidt
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Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wurde bei seiner Rede zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse von Propaganda für Palästina unterbrochen. Und reagierte erst harsch, dann mit einem klugen Hinweis.

Nachdenklich war sie geplant, wo es doch ums Lesen ging, konfrontativ wurde sie aber: Die Rede von Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse ist am Mittwochabend mehrfach durch ausdauernde Tiraden unterbrochen worden. Während er sprach, riefen mehrere im Gewandhaus verteilte Aktivistinnen laut (die Akustik war gut), aber weitgehend unverständlich (so gut nun auch wieder nicht) in die Rede des SPD-Politikers hinein.

Auf die schreiende Frau zu Beginn seiner Rede reagierte Scholz barsch: „Hör auf zu brüllen, Schluss.“ Um dann zu klären: „Uns alle führt hier in Leipzig die Macht des Wortes zusammen – nicht des Geschreis“. Die Störerin wurde hinausbegleitet. Scholz, als er aus einer anderen Ecke wieder von lauten Rufen unterbrochen wurde: „Ich glaube, dass es nicht richtig ist, Demokratie mit lautem Brüllen zu verwechseln“.

Weite Teile des Protestes gegen Scholz wurden vom Beifall des Publikums übertönt. Nach einigen Minuten konnte er seine Eröffnungsrede fortsetzen. Vor dem Eingang waren schon Aktivisten zu sehen und hören gewesen, mit Plakaten und Parolen wie „Deutschland und Israel begehen Völkermord“.

» „Lesen ist der tägliche Beweis, dass wir uns trotz unserer Unterschiede verstehen können“«

Olaf Scholz

Der SPD-Politiker konnte also bald doch noch zu seiner geplanten Rede zurückkehren. Er sprach, naheliegend, über die Liebe zum Lesen („Seit ich denken kann begleiten mich Bücher durch mein Leben“). Wissenschaft oder Gesellschaft, Abenteuer oder Krimi, Sachbuch oder Roman, er sei genauso wenig festgelegt wie die Messe. Wer lese, lasse andere Perspektiven als die eigene zu, nehme persönlich Anteil an Entwicklungen, so Scholz. Mit jedem Kapitel, mit jeder neuen Seite könnten Gegensätze überwunden werden, die im Alltag unüberbrückbar erschienen. „Lesen ist deswegen der tägliche Beweis, dass wir uns trotz unserer Unterschiede verstehen können, dass unsere Gesellschaften mitnichten dazu verdammt sind, auseinanderzudriften.“

Spannung bei Omri Boehms Rede

Beinahe drei Stunden dauerte schließlich die Eröffnungs- und Preisverleihungsfeier - „ein neuer Leipziger Längenrekord“ wie die „FAZ“ das nannte. Doch das sei weniger an den Störungen als am ausufernden Grußwortprogramm der anwesenden Prominenz gelegen. Bei der Rede von Omri Boehm herrschte schließlich konzentrierte Spannung: Der deutsch-israelische Philosoph bekam den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2024 für sein Buch „Radikaler Universalismus“.

Boehm ging auf die Störungen ein, nannte sie einen „schrecklichen Fehler“: Offenes Zuhören und Diskussionen würden notwendige Veränderungen bringen – nicht Unterbrechungen. Er stellte die Freundschaft ins Zentrum seiner Rede, denn gerade in dunklen Zeiten bringe sie Halt und Regulativ. „Israelische und palästinensische Freunde können über das katastrophale Versagen unserer Brüder und Schwestern sprechen, wohl wissend, dass wir, wenn wir unseren Freunden danach nicht mehr ins Gesicht sehen können, auch nicht mehr in den Spiegel sehen können.“

Geplant sind rund 100 Veranstaltungen mit 41 Autorinnen und Autoren.
Geplant sind rund 100 Veranstaltungen mit 41 Autorinnen und Autoren.APA / dpa / Hendrik Schmidt

Die Leipziger Buchmesse - nach Frankfurt die wichtigste deutsche Literaturschau - läuft von Donnerstag bis Sonntag. 2085 Aussteller aus 40 Ländern präsentieren ihre Bücher und Neuerscheinungen. Nach einem positiven Vorverkauf wird mit einem Plus bei den Besucherzahlen gerechnet, im vergangenen Jahr kamen 274.000 Menschen. Als Gastland präsentieren sich in diesem Jahr die Niederlande und Flandern als gemeinsamer Sprach- und Kulturraum unter dem Motto „Alles außer flach“. Geplant sind rund 100 Veranstaltungen mit 41 Autorinnen und Autoren. (red./ag.)

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