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Buchtipps des Monats

APA / Comyan / Frank Rumpenhorst
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Lesenswertes über die Brückenbauer im Kalten Krieg, die Geschichte des Anzugs, die Symbiosen der Natur und die gefallene Stadt Detroit.

Wie einst das Tauziehen um Frieden mit Moskau gelang

Am Höhepunkt des Kalten Krieges fand man einen Weg, die Rüstungsspirale in West und Ost zu unterbrechen: Helsinki 1975 wurde zum Symbol der Entspannung. Wie war es den 35 Teilnehmerstaaten (den europäischen Staaten inkl. der Sowjetunion, der USA und Kanada) gelungen, sich auf eine gemeinsame Sicherheits- und Friedensordnung für Europa zu einigen?

Die Autorin, Anna Graf-Steiner, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung. In ihrem eben erschienenen Buch hat sie das Tauziehen des neutralen Österreichs mit der Sowjetunion dokumentiert, das Bundeskanzler Bruno Kreisky für seine Interessen instrumentalisieren wollte. In vielem heute ein aktuelles Buch. (mime)

Anna Graf-Steiner: <strong>Brückenbauer im Kalten Krieg </strong><u>(</u>Leykam Verlag, 292 Seiten, 39 Euro)
Anna Graf-Steiner: Brückenbauer im Kalten Krieg (Leykam Verlag, 292 Seiten, 39 Euro)

Revolution im Anzug

Tatsächlich waren die Männer einst das auffallender und bunter gekleidete Geschlecht. Was ist passiert? Verknappt könn­te man sagen: die französische Revolution. Sprich, das Bedürfnis, sich auch optisch vom Pomp der Elite abzugrenzen. Die Kunsthistorikerin Sabine Hirzer (Uni Graz) nimmt ihre Leserschaft mit auf eine Reise durch die 200-jährige Geschichte des Anzugs. Seine Bedeutung ist von seinen Anfängen an (sozial-)politisch aufgeladen und erweist sich im Laufe der Zeit als höchst wandelbar.

Als Buchprotagonist macht sich das symbolträchtige Kleidungsstück jedenfalls gut. Man erfährt, warum Maler sich in Selbstporträts dazu entschieden, Anzug zu tragen, welche Wirkung Black-Lives-Matter-Proteste im feinen Zwirn entfalten und welcher Schachzug Angela Merkel mit ihrer Garderobe gelungen ist. (cog)

Sabine Hirzer: <strong>Der Anzug im Porträt</strong> (Böhlau-Verlag, 197 Seiten, 42 Euro)
Sabine Hirzer: Der Anzug im Porträt (Böhlau-Verlag, 197 Seiten, 42 Euro)

Symbiosen in der Natur: Schauen wir auf das Gute

Ein Ansatz, unsere Welt zu retten, bevor der Klimakollaps kommt, ist es, den Menschen mehr Verständnis über die Zusammenhänge der Natur mitzugeben. Das Buch „Symbiosen beobachten“ ist hierbei ein Puzzlestein. Die Schweizer Biologen Andreas Gigon und Felix Stauffer fokussieren in dem Feldführer auf die „positiven Beziehungen in der Natur“.

Sie haben für die in Mitteleuropa häufigsten Ökosysteme die Symbiosen der Lebewesen in Wort und Bild gesammelt. Bei einer Symbiose profitieren stets beide Partner, z. B. die Biene vom Pollen der Blüte, die wiederum von Insekten bestäubt wird, oder das Reh, das Himbeeren als Futter nimmt und zugleich die Samen der Pflanze verbreitet. In einem gesunden Wald gibt es über 70 Symbiosen, auch zwischen Pilzen und Wurzeln. (vers)

Andreas Gigon, Felix Stauffer: <strong>Symbiosen beobachten</strong> (Haupt-Verlag, 208 Seiten, 29,50 Euro)
Andreas Gigon, Felix Stauffer: Symbiosen beobachten (Haupt-Verlag, 208 Seiten, 29,50 Euro)

Was ist mit Detroit passiert?

Die Stadt ist die manifestierte Niederlage Amerikas, schreibt Wolfgang Koelbl: „Detroit ist der Beweis dafür, dass im Modell USA kapitale Fehler wüten.“ Drei Jahre nach „Los Angeles“ (Jovis-Verlag) streift der Autor, Architekturwissenschaftler an der TU Wien, in seinem neuen Buch also durch Detroit und seziert den Fall der einstigen Welthauptstadt der Moderne. Ist diese doch in wenigen Jahrzehnten in global bedeutsame Höhen geschossen, um kurze Zeit später an sich selbst zu scheitern – ohne je repariert worden zu sein. Geblieben sind Weltschmerz und rauschhafte Romantik.

Koelbl gibt Einblicke in die innere Zerrissenheit der USA am Beispiel Detroits, untersucht die dortigen „Architekturen des Beharrens“ und spürt der aggressiven Sehnsucht nach Wiederaufstieg nach. Eine gelungene epische Stadtführung. (cog)

Wolfgang Koelbl: <strong>Detroit. Amerikas Niederlage </strong>(Transcript-Verlag, 680 Seiten, 46 Euro)
Wolfgang Koelbl: Detroit. Amerikas Niederlage (Transcript-Verlag, 680 Seiten, 46 Euro)

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