Randerscheinung

„Du könntest dir mehr antun“

Florian Asamer
Florian Asamer Carolina Frank
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Ich sage, er tue zu wenig. Er sagt, er tue sich nicht so leicht beim Lernen. Ich sage, er tue zu wenig.

„Jetzt haben wir zwei Stunden lang diskutiert, und du sagst wieder ganz genau dasselbe wie am Anfang“, sagt der Jüngste, schüttelt den Kopf und geht nach oben. Also zwei Stunden waren es nicht, vielleicht 25 Minuten. Und ich habe auch nicht das ganz Gleiche wie am Anfang gesagt, aber wahrscheinlich schon etwas sehr Ähnliches. Nämlich: „Du könntest dir mehr antun.“ Und sein Hinweis trifft mich schon. Weil mir geht das immer sehr auf die Nerven, wenn man mit jemandem diskutiert und versucht, Standpunkte auszutauschen, und wenn man glaubt, es ist etwas weitergegangen, endet das Gegenüber mit dem Eingangsstatement.

Natürlich geht es um die Schule. Der Jüngste sagt, die Schule sei ihm zu schwer. Ich sage, er tue zu wenig. Er sagt, er tue sich nicht so leicht beim Lernen. Ich sage, er tue zu wenig. Er sagt, er müsse trotzdem ins Gymnasium gehen. Ich sage, es gebe in der Oberstufe nur mehr das Gymnasium, außer er wolle eine Lehre machen. Will er nicht. Er sagt, ich sagte immer, er sei schlecht in der Schule, dabei komme er eh durch, und es sei halt schwer. Ich sage, es gehe nicht um die Noten, sondern dass er sich auch einmal was antun könne. Ups, da ist er wieder, der Satz von vorhin. Ich sage also offenbar wirklich immer dasselbe. Das Gleiche sogar. Was ich meine, und vielleicht muss ich ihm das besser erklären, ist, dass es leider nicht immer Spaß macht und nicht alles, was wir tun müssen, auch wirklich sinnvoll ist. Manches kann man sicher ändern, anderes muss man aber mit möglichst wenig Energieaufwand und Augen zu hinter sich bringen. Weil man sich sonst irgendwann noch mehr antun muss. Jetzt, wo ich mir das noch einmal durchlese, ist das tatsächlich eine trostlose Botschaft. Überhaupt. Und jedenfalls für einen knapp 14-Jährigen.

(Die Presse Schaufenster, 22.3.2024)

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