Genetik

Beethoven und der Beat: Was man aus DNA (nicht) lesen kann

Symbolbild: Ein Forscherteam analysierte DNA-Sequenzen aus Haarsträhnen von Ludwig van Beethoven.
Symbolbild: Ein Forscherteam analysierte DNA-Sequenzen aus Haarsträhnen von Ludwig van Beethoven.AFP / Kirill Kudryavtsev
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Forscher am MPI in Frankfurt berichten, dass ein genetischer Indikator für Musikalität bei Beethoven unterdurchschnittlich sei. Das spricht vor allem gegen diese Methode.

Seit ungefähr einem Jahr kennt man Beethovens Genom: Die DNA wurde aus einer Haarlocke extrahiert, die seit seinem Tod (1827) aufbewahrt worden war. Die neugierigen Genetiker stürzten sich gleich auf die Daten, auf der Suche nach genetischen Loci (also Stellen im Genom), an denen sich die Menschen bekanntermaßen voneinander unterscheiden, meist genau in einer DNA-Base. In Sachen Leberzirrhose wurden sie schnell fündig: Dafür hätten sie genetische Risikofaktoren in Beethovens Genom gefunden, hieß es bald.

Klar, dass DNA-Abschnitte im Genom – natürlich nebst Umwelteinflüssen – dafür verantwortlich sind, dass sich die Menschen voneinander unterscheiden, im Aussehen, in der Neigung zu Krankheiten, aber auch in geistigen Eigenschaften wie Intelligenz und Musikalität. Allerdings ist es, vor allem bei komplexeren Eigenschaften, kaum je ein einziger genetischer Locus, der sie prägt. Nein, es sind viele Loci, und nur selten (z. B. beim Phänomen, dass manche Menschen viel mehr Alkohol vertragen als andere) können Genetiker sagen., wie dieser Einfluss biochemisch funktioniert. So haben sie sich auf das Konzept des „polygenic score“ verlegt: Sie ermitteln erst in Massenstudien ein bestimmtes Set von Loci, die offenbar eine Eigenschaft beeinflussen. Daraus berechnen sie, wie groß die Neigung („propensity“) eines Individuums zu dieser Eigenschaft ist.

Gibt es einen solchen Score für die – doch eher komplexe – Eigenschaft der Musikalität? Nun ja. Vor zwei Jahren reduzierte ein Forscherteam diese Eigenschaft auf eine schlichte Frage: „Can you clap in time with a musical beat?“ Das beantworteten 600.000 Menschen europäischer Abkunft, die auch ihr Genom analysieren ließen. Die Computersuche nach Stellen im Genom, deren Ausprägung offenbar mit dieser Selbsteinschätzung des Rhythmusgefühls korreliert, ergab 69 Loci. Und alle diese Loci zusammen sind nur zu 13 bis 16 Prozent für die Unterschiede im Rhythmusgefühl verantwortlich!

Muskalität: zu 42 Prozent erblich

Dennoch sahen sich Forscher am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main nun an, wie diese 69 Loci bei Beethoven aussehen – und rechneten daraus zurück, wie denn sein Rhythmusgefühl gewesen sei. Ergebnis: enttäuschend. Es liege weit unter dem Durchschnitt. Den größten Teil ihrer Publikation in „Current Biology“ versuchen sie zu erklären, woran das liegen könne. Sie stellen etwa fest, dass die Methode vielleicht nicht ganz das Phänomen der Musikalität einfängt, und wiederholen die Binsenweisheit, dass diese nicht nur genetisch geprägt ist. (Zwillingsstudien haben ergeben: Frühere Studien haben ergeben, dass Musikalität im Schnitt zu 42 Prozent erblich ist.) Dann resümieren sie: Es wäre „offensichtlich falsch“, aus ihrer Studie zu schließen, „dass Beethovens musikalische Fähigkeiten nicht außergewöhnlich waren“. Fazit: No na.

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