Dilemma

Posthumer Pop: Nicht einmal über ihre Leiche

Von Jimi Hendrix gibt es ein Dutzend posthum erschienene Platten.
Von Jimi Hendrix gibt es ein Dutzend posthum erschienene Platten.APA / Comyan / A9999 Db
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Sheryl Crow will ihre veröffentlichten Songs mit ins Grab nehmen. Und wehe, es buddelt sie wer aus. Nicht alle Künstler positionieren sich derart klar. Ein Blick auf Veröffentlichungen nach dem Tod.

Meine Kunst und Stimme sollen (…) in meinem Grab bleiben.“ Dafür hat Sheryl Crow rechtlich vorgesorgt, mit 62 Jahren. Keine Demoaufnahme soll nach ihrem Ableben noch das Licht der Welt erblicken, niemand anderes sich daran bereichern. So ist es festgehalten in ihrem Testament, sagt Crow der DPA: „Wenn ich Songs nicht veröffentlicht habe, hatte das seine Gründe. Ich war damit unzufrieden oder bin nicht ganz dahinter gestanden.“

Allein ist sie damit nicht. Rapper Anderson Paak ließ sich 2021 die Anweisung, man möge unveröffentlichte Musik mit ihm ruhen lassen, auf den Unterarm tätowieren. „When I’m gone please don’t release any posthumous albums or songs with my name attached. Those were just demos and never intended to be heard by the public.“ Seine Demos wären nie fürs öffentliche Ohr bestimmt gewesen, liest es sich auf der Extremität. Sadcore-Queen Lana del Rey teilte damals ein Foto des Tattoos auf Instagram mit dem Beisatz, das stehe auch in ihrem Testament.

Sheryl Crow will posthum nichts mehr von sich preisgeben.
Sheryl Crow will posthum nichts mehr von sich preisgeben.Reuters / Eduardo Munoz

Wer nichts niederschreibt, muss die Erben walten lassen. Im Idealfall wissen diese zumindest aus Gesprächen über den Willen des Toten Bescheid. Im schlimmsten Fall sind sie geldgierig. Dann werden Überbleibsel und Skizzen für den großen Release zusammengequetscht. Heute erleichtert zudem die KI das Fertigschreiben, weil sie Stimmen immer besser zu imitieren lernt und Schnipsel nach Vorbild der alten Nummern instrumentiert. Von Westcoast-Rapper 2Pac gibt es längst mehr Musik, die nach seinem Tod erschienen ist, als er zu Lebzeiten veröffentlicht hat. Über zehn Jimi-Hendrix-Alben wurden posthum herausgebracht. The Doors beherzigten den angeblichen Wunsch ihres Sängers, Jim Morrison, nicht, als sie hinterlassene Aufnahmen seiner Gedichte („An American Prayer“) vertonten. Ginge es nach Morrison, hätte das der Komponist Lalo Schifrin tun sollen, heißt es.

So gewollt?

Die Cranberries entschieden sich 2019 nach „reiflicher Überlegung“, zu beenden, was man zu Dolores O’Riordans Lebzeiten begonnen hatte. Die Gesangsaufnahmen für „In The End“ – das achte Studioalbum der Band – waren zum Zeitpunkt ihres Todes schon im Kasten. Von Paul McCartney wurde mehr abverlangt: Für den letzten Beatles-Song „Now And Then“ musste er seinen Ex-Kollegen George Harrison an der Gitarre imitieren, was ihm unserem Popkritiker zufolge ganz gut gelungen ist. Aber auch nicht ganz authentisch. Als Bilderbuchbeispiel für posthume Veröffentlichungen gilt Mac Millers Album „Circles“. Zwei Jahre nach dem Tod des Rappers im Jahr 2018 kam es als Komplementärwerk zu seiner letzten LP, „Swimming“, heraus. Miller hatte mit Produzent Job Brion daran gearbeitet, Millers Familie sollte ihn später bitten, es fertigzustellen.

In Wien verwaltet Marie Hummer, die Schwester von Wanda-Keyboarder Christian Hummer, den musikalischen Nachlass seines kleinen Soloprojekts LoeweLoewe. Die Gefahr, dass man Änderungen vornimmt, die der Verstorbene fatal fände, besteht, sagte sie der „Presse“. Zwischen ehrenvollem Tribut und unverfrorener Geschäftemacherei liegt oft nur ein schmaler Grat, zumindest bei den ganz großen Namen ist das so. Nirvanas MTV Unplugged aus 1994 hat sein geschichts­trächtiges Standing freilich auch wegen Kurt Cobains Tod sieben Monate zuvor. Ihn konnte man auf den Aufnahmen noch einmal bildfüllend sehen, samt Witz und großen Emotionen (von der musikalischen Genialität ganz zu schweigen). Auch „Piano & A Microphone 1983“ von Prince möchte man nicht missen. Wenngleich der Fan auch hier nicht weiß, wie es die Künstler gewollt hätten.

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