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Kein Primat dem Staat

Der Staat müsse Industriepolitik „in aller Radikalität“ führen, findet SPÖ-Chef Andreas Babler.
Der Staat müsse Industriepolitik „in aller Radikalität“ führen, findet SPÖ-Chef Andreas Babler. APA / APA / Robert Jaeger
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Liberale zucken zusammen, wenn Sozialisten über den Staat fabulieren, der das „Primat in der Gestaltung der Gesellschaft” übernehmen soll. Denn Macht verschwindet in der Planwirtschaft nicht. Sie wandert nur in die Hände einiger weniger, die sich anmaßen zu wissen, was gut für alle anderen ist.

             

Jeannine Hierländer
stv. Ressortleiterin Economist

Jeannine Hierländer
 

Guten Morgen!

Das Wort „Trigger” hat sich aus der psychotherapeutischen Lehre in den alltäglichen Sprachgebrauch eingeschlichen. Im eigentlichen Sinne beschreibt es ein Ereignis, das alte Traumata und Wunden aufreißt, von denen man vielleicht gar nicht mehr wusste, dass man sie mit sich herumträgt. 

Im gemeinen Sprachgebrauch heißt „getriggert“ werden, dass man auf ein Wort oder ein Ereignis stark anspricht, sich aufregt, sich gekränkt, verletzt, gestört fühlt. Jeder hat bekanntlich seine Trigger, für mich gehört das schnöde Wort „Transformation” ganz sicher dazu. Es bedeutet – laut Duden – „umändern”, „umformieren”, „umfunktionieren”. „Transformation” wird gern von linken Politikern und Interessenvertretern verwendet, um zu beschreiben, wie sich die Gesellschaft verändern soll/muss/wird. Diese Politiker und Interessenvertreter wissen immer ganz genau, wie eine bessere/gerechtere/gleichere Gesellschaft aussehen soll.

So wie Andreas Babler. Der SPÖ-Chef hat uns unlängst erstaunlich offen seine Karten gezeigt. Der Staat müsse sich trauen, die Wirtschaft wieder aktiv mitzugestalten, findet Babler. „There is no alternative, der Staat muss das Primat in der Gestaltung der Gesellschaft wieder zurückholen”, sagte er bei einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin, bei der er als „echter Sozi” vorgestellt wurde, der manchmal klinge „wie ein Grüner”.

Ich finde eher, er klingt wie ein echter Sozialist. 

Denn nur echte Sozialisten maßen sich an, den einen, den richtigen Plan für Wirtschaft und Gesellschaft zu haben. So wie Babler: „Der Staat muss Industriepolitik, Standortpolitik und vor allem ökologisch (sic) in aller Radikalität führen.“ In aller Radikalität? Da kann ich nur meinen Innenpolitik-Kollegen Oliver Pink zitieren, der treffend schrieb: „Babler überholt die KPÖ“ links.

Mit einem 20 Milliarden Euro schweren „Transformationsfonds” will Babler Steuermittel bereitstellen, „die wir für den dringend notwendigen Umbau von Industrie, Landwirtschaft und den Ausbau des Sozialstaats brauchen”. Auch jetzt gehe es wieder darum, „als Staat die Regeln für die Wirtschaftspolitik zu definieren”. 

Ich verstehe ja weder, warum Industrie und Landwirtschaft dringend umgebaut werden müssen, noch, warum der Sozialstaat dringend ausgebaut werden muss. Österreich hat bereits einen der üppigsten Sozialstaaten der Welt, der höchstens daran krankt, dass er zu viel und nicht zu wenig umverteilt. 2023 summierten sich die Sozialausgaben in Österreich auf 136 Milliarden Euro, das waren über 30 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Sozialquote ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen – von Sozialabbau kann also keine Rede sein.

Die Liberalen haben uns gewarnt: Macht verschwindet in der Planwirtschaft nicht, sie wandert nur von vielen dezentralen Akteuren in die Hände einiger weniger. Und zwar einer kleinen Gruppe, die sich anmaßt, genau zu wissen, was gut für alle anderen ist. Auch das Problem knapper Ressourcen verschwindet in der Planwirtschaft nicht. Es wird sogar schlimmer, weil es im Sozialismus – wie die Geschichte eindrucksvoll beweist – keinen Anreiz gibt, Produktionsmittel effizient einzusetzen.

 „In der Marktwirtschaft gibt es niemand (sic), der auch nur einen Bruchteil der Macht innehätte, die eine sozialistische Planbehörde besitzen würde, und wenn keiner bewusst von ihr Gebrauch machen kann, so ist es einfach ein Missbrauch der Sprache, zu behaupten, dass sie bei der Gesamtheit der Kapitalisten läge”, schrieb Friedrich August von Hayek vor 80 Jahren in seinem Bestseller „Der Weg zur Knechtschaft”. Und weiter: „(…) Die auf dem Wettbewerb beruhende Marktwirtschaft ist das einzige Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das darauf gerichtet ist, durch Dezentralisierung die Macht des Menschen über den Menschen auf das Mindestmaß herabzusetzen.”

Deshalb jagt es liberal eingestellten Menschen kalte Schauer über den Rücken, wenn Sozialisten über den Staat fabulieren, der endlich wieder das „Primat in der Gestaltung der Gesellschaft” (Babler) übernehmen muss: Weil es so harmlos klingt, dass man es leicht als naive Träumerei abtun kann. Aber in der Praxis noch nie harmlos ausgegangen ist. 

Herzlich, Ihre

Jeannine Hierländer

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