Leitartikel

Haben wir dem Frieden den Krieg erklärt?

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Der Papst erntet heftige Kritik, weil er den Ukrainern die weiße Fahne empfiehlt, Pazifisten gelten als gefährlich, und Europa soll wieder „kriegstüchtig“ werden. Hat der Frieden ausgedient?

Es ist Ostern. Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir auf biblische Botschaften hören. „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen“, und „fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen“. Gut verkündet, Prophet Micha, hätten wir noch vor wenigen Jahren gesagt. Wir waren so weit, der Frieden war uns selbstverständlich geworden, wir kannten, lernten den Krieg nicht mehr. Aber der Text beginnt so: „Am Ende der Tage wird es geschehen.“ Es ist eine Endzeitvision. Das enttäuscht uns, es erinnert an Kant, an seine wohltönende Schrift „Zum Ewigen Frieden“, diese ganze irdische Vision, die das Völkerrecht begründet. Aber in der Präambel verrät der Philosoph mit bitterem Witz, wie er auf den Titel gekommen ist: durch ein Wirtshausschild, auf dem ein Friedhof gemalt ist. Der ewige Frieden – nur für die Toten?

Zuerst Putins Angriff auf die Ukraine, dann der neue Nahostkonflikt, blutiger denn je. Die Geschichte wiederholt sich, Europa rüstet wieder auf. Trotzdem nehmen nur wenige an Ostermärschen teil, und fast nur Ältere, die schon in den Achtzigern dabei waren, als Hunderttausende gegen den Nato-Doppelbeschluss protestiert haben. Pazifisten werden nicht mehr als naiv belächelt, sondern als gefährlich angeprangert. Der Papst empört die Kommentatoren, weil er den Ukrainern die weiße Fahne empfiehlt. Gegen einen Waffenstillstand im Gazastreifen wird ins Treffen geführt, er könnte die Hamas neu erstarken lassen. Der deutsche Kanzler, Olaf Scholz, nennt die Friedensapostel „gefallene Engel, die aus der Hölle kommen“. Sein Verteidigungsminister, Boris Pistorius, fordert, die Deutschen müssten wieder „kriegstüchtig“ werden – was wie „kriegssüchtig“ klingt.

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