Morgenglosse

Gestern Putin, heute Biden, morgen Trump?

Die Fleisch gewordene Antithese zum Homo oeconomicus: US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump.
Die Fleisch gewordene Antithese zum Homo oeconomicus: US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump.APA/AFP/Mandel Ngan
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Solang die EU auf Gashändler aus dem Ausland angewiesen ist, so lang bleibt sie erpressbar. An dieser Gewissheit kann nur ein Umbau der europäischen Wirtschaft etwas ändern.

Plus ça change, plus c’est la même chose – je mehr sich etwas ändert, desto gleicher bleibt es. Das französische Bonmot passt zur Nachricht, wonach die Vereinigten Staaten Russland als wichtigster Lieferant von Gas nach Europa abgelöst haben. Das ist insofern erleichternd, als US-Präsident Joe Biden Flüssiggas nicht als Waffe sieht, sondern als gut verkaufbares Produkt, das in Europa nachgefragt wird, und das die europäischen Alliierten der USA vor Aggressor Wladimir Putin sicherer macht. Sieht man von den handelnden Personen ab, hat sich am Sachverhalt allerdings wenig geändert: Die EU ist nach wie vor auf Gashändler aus dem Ausland angewiesen – und bleibt so lang erpressbar, solang die Union nicht einen höheren Anteil ihres Energiebedarfs aus nachhaltigen, hauseigenen Quellen deckt.

Nun könnte man an dieser Stelle einwenden, dass im Gegensatz zum dem Cäsarenwahn verfallenen Herrscher im Kreml der Rest der Öl und Gas produzierenden Länder rational agiert und an guten Geschäftsbeziehungen zur Kundschaft interessiert ist. Das mag heute sehr wohl so sein, doch was ist mit morgen? Ob Donald Trump, die Fleisch gewordene Antithese zum kühl kalkulierenden Homo oeconomicus, den Flüssiggashahn offen lässt, ist offen. Nach seinen Aussagen zu schließen, könnte er genauso gut versuchen, von den Europäern Schutzgeld zu erpressen, indem er mit einem Stopp der Lieferungen droht.

Lange Zeit hatte die Globalisierung und die mit ihr einhergehende ökonomische Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit als unbedenklich gegolten – denn wer will schon ein Masochist sein und sich ins eigene Fleisch schneiden, nur um dem Handelspartner zu schaden? Diese unschuldig-naive Zeit ist spätestens seit Russlands Überfall auf die Ukraine vorbei. Wenn nämlich ein waschechter Russe keinen Schmerz kennt, wie Putin es gern suggeriert, dann ist die Grundannahme der auf Freihandel basierenden, liberalen Weltwirtschaftsordnung falsch. Diesen Geist kann selbst ein Joe Biden nicht wieder in die Flasche zwingen. Denn wie wir heute wissen, wartet hinter jedem Biden ein Trump auf die Gelegenheit, die Flasche gegen die Wand zu schmeißen.

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