Neue Chats

Causa Ott: Von Floridsdorf in die FSB-Zentrale?

Die Zentrale der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst in Wien.
Die Zentrale der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst in Wien. Clemens Fabry
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Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek soll Wiener Spionagezelle benutzt haben, um Laptop mit Geheiminfos nach Moskau zu schleusen. Parteien schieben sich in Affäre die Verantwortung zu.

Welche Staatsgeheimnisse könnten über den ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott nach Moskau gelangt sein? Wer zog im Hintergrund die Strippen? Zu diesen Fragen kamen am Dienstag wieder neue Details und Vermutungen ans Licht. In nun bekannt gewordenen Chats tauschte sich der geflüchtete Wirecard-Vorstand Jan Marsalek mit einem mittlerweile in Großbritannien inhaftierten Bulgaren aus. Dieser soll vor seiner Festnahme eine für Russland tätige Spionagezelle angeführt haben.

Die Chats lege nahe, wie eng Marsalek mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB verbunden sein dürfte und wie er eine mutmaßliche Spionagezelle in Österreich für seine Zwecke nutzte. Marsalek schreibt dem Bulgaren von Schießübungen, die er mit einer Spezialeinheit des FSB durchgeführt habe. Ebenso konferieren sie, welche „aktiven Maßnahmen“ man gegen den russlandkritischen Investigativjournalisten Christo Grozev ergreifen könne. Grozev, der in Wien lebte, hat über russische Spionageaktionen berichtet, Russland setzte ihn im Dezember 2022 auf seine Fahndungsliste.

Um Informationen über Grozev und andere Personen zu sammeln, soll Marsalek sich zweier ehemaliger Beamte des österreichischen Verfassungsschutzes bedient haben: Egisto Ott und Martin Weiss, ehemaliger Spionageabwehrchef des BVT. Marsalek bezeichnete Weiss in den Chats mit dem Bulgaren als „unseren Freund“. Weiss ist mittlerweile in Dubai untergetaucht und für Österreichs Justiz nicht greifbar. Ott soll für Weiss der Ansprechpartner für Marsaleks Anfragen gewesen sein.

Hunderte Abfragen

Ab 2017 soll Ott auf geheime Datenbanken zugegriffen und auch über Rechtshilfeersuchen nach Italien und Großbritannien Informationen für Marsalek beschafft haben. Insgesamt soll der Ex-Wirecard-Vorstand über zumindest 309 Personen illegale Abfragen und geheime Informationen einholen haben lassen. Auch die Beschaffung der Inhalte von drei Diensthandys ranghoher österreichischer Beamte sollen Marsalek und der Bulgare über Ott organisiert haben.

Die Handys waren den Beamten bei einem Bootausflug ins Wasser gefallen. Die Handys gelangten zu einem IT-Techniker des BVT. Bisher hieß es, dass dieser die Inhalte ausgelesen und an Ott weitergegeben haben soll. In Otts Wohnung in Floridsdorf haben dann Männer im Auftrag Marsaleks die Daten abgeholt, so der Vorwurf. Wie der „Kurier“ berichtete, könnten in der Wohnung aber auch die Original-Mobiltelefone übergeben worden sein.

Bei dieser einen Übergabe soll es aber nicht geblieben sein. Am 19. November 2022 sollen in der Wohnung russische Agenten einen Laptop mit sensiblen, der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegenden Daten eines EU-Staates geholt haben. Die Informationen sollen dann über Istanbul nach Russland und dort direkt zum Sitz des FSB gebracht worden sein. Laut den Chats zwischen Marsalek und dem Bulgaren soll Ott dafür 20.000 Euro erhalten haben.

Ott befindet sich in Untersuchungshaft. Die „Kronen Zeitung“ berichtete am Dienstag, dass er bei seiner Einvernahme durch den Journalrichter ein Teilgeständnis abgelegt habe. Die Sprecherin des Wiener Straflandesgerichts konnte das auf „Presse“-Anfrage nicht bestätigen. Ott habe die Vorwürfe gegen ihn bestritten, hielt sie fest.

Streit um Verantwortung

Wer politisch für die Spionageaffäre die Verantwortung tragen soll, darüber streiten Österreichs Parteien. Die FPÖ sieht die Schuld bei der ÖVP. Denn Ott habe seine Karriere unter ÖVP-Innenministern gemacht und all die Vorgänge seien vor den Augen des damaligen BVT-Direktors Peter Gridling passiert, sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker am Dienstag. Die ÖVP hingegen sieht Verbindungen Otts zu den Freiheitlichen, da dieser etwa Kontakt zum ehemaligen FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein gehalten habe.

Auch habe Ott selbst angegeben, Mitglied der SPÖ zu sein, sage ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Aus der SPÖ-Zentrale hieß es zur „Presse“ am Dienstag auf Nachfrage allerdings, dass dies nicht korrekt sei: „Herr Egisto Ott ist nicht Mitglied der SPÖ.“ Am 9. April wird sich der Nationale Sicherheitsrat mit der Causa befassen. (dab)

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